Das neue Berliner Hochschulgesetz lässt viele junge Wissenschaftler bei der Stellensuche leer ausgehen. Die Lausitz sollte den verzweifelten #ichbinHannas jetzt die richtigen Angebote machen.
Gastkommentar von Caron Pomp
Was sich in Berlin tut, wirkt direkt auf die Lausitz – selbst wenn nicht jede Entwicklung sofort in ihrer Bedeutung erkannt wird. Im Sommer 2021 änderte die Hauptstadt ihr Hochschulgesetz. PostdoktorandInnen, die an Berliner Hochschulen eingestellt sind, sollen unbefristete Stellen bekommen. Die Umgehung des Wissenschafts-Zeitvertragsgesetzes, die Berlin damit vornimmt, hat zwei Seiten: Sie ist schön für jene, die bereits eine Stelle haben. Aber für Nachkömmlinge schwinden die Chancen, eine freie Stelle zu ergattern. Ein großer Teil des Berliner Wissenschaftsnachwuchses ist damit der Karriereeinstieg erschwert.

Gut für die Lausitz, denn die kann diesen Nachwuchs gut brauchen. Cottbus hat wissenschaftlich hohe Ambitionen. Die Brandenburgische Technische Universität will sich in den nächsten Jahren als Zentrum der Forschung in Erneuerbaren Energien einen Namen machen und überdies eine medizinischen Fakultät aufbauen. Das erfordert Personal und intellektuellen Input von außen. Hinzu kommen die neu gegründeten außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die jetzt schon Schwierigkeiten haben, ihre Stellen zu besetzen. An dieser Stelle kann sich die Lausitz bei der Hauptstadt bedanken. Denn die Veränderung im Berliner Hochschulsystem kann für die Lausitzer Forschungslandschaft ein Segen werden.
Wenige bleiben in der Wissenschaft
Laut Zeitvertragsgesetz dürfen Wissenschaftler bis zum Doktorgrad auf Haushaltsstellen oder in Drittmittel-Projekten maximal sechs Jahre befristet beschäftigt werden. In der sogenannten Postdoc-Phase sind es wieder sechs Jahre, denn auch diese Zeit wird als Qualifizierungsphase gesehen. Wenn es aber, wie aktuell, kaum unbefristete Stellen für Postdocs gibt und keine Aussicht auf eine Professur, stellt sich die Frage: Qualifizierung für was? Denn der Nachwuchs muss dann die Hochschule verlassen und in Unternehmen, der Verwaltung oder an außeruniversitären Instituten eine unbefristete Anstellung finden. Nur ganz wenige können dauerhaft im Wissenschaftssystem bleiben.
Ein großer Teil des Berliner Wissenschaftsnachwuchses ist damit der Karriereeinstieg erschwert. Gut für die Lausitz, denn die kann diesen Nachwuchs gut brauchen.
Pomp
Der Unmut darüber machte sich im vergangenen Jahr unter dem Hashtag #IchBinHanna Luft, was uns jungen Forschenden aus der Seele sprach. Auch ich werde nach meiner Promotion an der BTU wahrscheinlich keine Stelle an einer Hochschule anstreben, weil ich mich mit Mitte 30 auch nach einer langfristigen Perspektive sehne. Um an einem Ort bleiben zu können und vielleicht eine Familie zu gründen. Doch das ist im Hochschulsystem mit seinen prekären Jobs offenbar nicht vorgesehen. „Postdoc-Jahre sind Wander- und Gesellenjahre“, sagte die Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst beinahe zynisch. Dann trat sie aus Empörung über die Senatsentscheidung zurück – eine Ohrfeige für alle Hannas. Bevor diese jungen Leute nun gleich aus dem Hochschulsystem auswandern, könnten sie den Weg in die Lausitz finden. Die bietet eine Menge Jobs und ist nah genug, um in der Hauptstadt wohnen zu bleiben, wenn man denn unbedingt will.
Die Lausitz braucht neue Köpfe, um fit zu werden für die Zukunft. Mit der richtigen Werbung kann Cottbus viele abholen, die in Berlin keine Stelle finden, sich aber dennoch in der Forschung bereits Lorbeeren verdient haben. Die Lausitz – oder besser Brandenburg – sollte diesem wissenschaftlichen Nachwuchs das bieten, was das Zeitvertragsgesetz erschwert: eine hohe Anzahl an sicheren Stellen mit guten Entwicklungschancen in Cottbus, Senftenberg oder Görlitz. Damit könnte es gelingen, die jungen Leute, die auf der Flucht vor der Endlosschleife der Drittmittel-Projektstellen in die Region einströmen, auch dauerhaft zu halten.
Ampel will mehr Dauerstellen
Aber selbst wenn diese hoffnungsvollen Kräfte nur zum Forschen einpendeln, selbst wenn sie nur zeitweise Lausitzer würden, hätte der Forschungsstandort Lausitz viel davon. Die regionale Wissenschaft wäre auch dann Nutznießer des Braindrains aus der Hauptstadt. Eine langfristige Bleibeperspektive könnte zu einer echten Win-Win Situation werden.
Zumal sich die Neuregelung für die Hauptstadt bereits negativ auswirkt. Die Freie Universität hat postwendend einen Einstellungsstopp verhängt, macht also für den Nachwuchs ganz dicht. Das bedeutet, dass man auch mit den negativen Folgen leben muss: Es wird wohl weniger Post-Doc Stellen in Berlin geben, langfristig vielleicht sogar insgesamt weniger Stellen für junge Wissenschaftler in der Hauptstadt. Damit würde sich die Prophezeiung derjenigen erfüllen, die das Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz in der aktuellen Form verteidigen.
Die Berliner Attacke auf das Zeitvertragsgesetz landet womöglich bald beim Verfassungsgericht. Aber inzwischen hat sich die neue Bundesregierung auf den Weg gemacht, das Gesetz zu reformieren. Die Ampel-Koalition will mehr Dauerstellen schaffen. So oder so kann die Lausitz davon profitieren, wenn sie jetzt die richtigen Angebote macht.