Die Ampel-Regierung will „idealerweise bis 2030“ raus aus der Braunkohle. Das ist angesichts der Kriegsgefahr in der Ukraine nicht mehr möglich, ist der CDU-Außenpolitiker Knut Abraham überzeugt. Der Strukturwandel in der Lausitz ist viel zu sehr abhängig vom russischen Gas, sagt er im Interview mit Neue Lausitz.
Frage: Herr Abraham, was bedeutet die Kriegsgefahr an der russisch-ukrainischen Grenze für die Lausitzer Wirtschaft?
Knut Abraham: Was wir dort erleben, bedeutet eine kritische Situation für die Entwicklung unserer Region, aber auch für die Energieversorgung in ganz Deutschland.
Warum?
Zwei Aspekte sind dabei wichtig. Erstens ist gegenwärtig auch ohne Nord Stream 2 das bestehende Pipeline-System über die Ukraine bei weitem nicht ausgelastet. Das heißt, die Versorgung Deutschlands mit russischem Gas ist in keiner Weise gefährdet. Auf der anderen Seite stellt sich aber schon die Frage, wie lange wir vom russischen Gas abhängig bleiben wollen, denn das sind wir. Mehr als die Hälfte unserer Erdgasimporte kommt aus Russland, die Lieferungen insbesondere aus Norwegen und den Niederlanden sind rückläufig.
Welche Konsequenzen muss die Lausitz daraus ziehen – die ja beim Weg in die CO2-freie Energiewirtschaft zunächst auf russisches Gas setzt?
Die Konsequenz ist ganz klar: Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, den Ausstieg aus der Braunkohle nochmals vorzuziehen.
Meinen Sie, der Kohleausstieg, der laut Ampel-Regierung idealerweise bis 2030 erfolgen soll, ist durch die russische Aggression gegen die Ukraine passé?
Ja, es ist einfach nicht realistisch. Schon gar nicht sollten wir angesichts der außenpolitischen Lage die Krise der Energiewirtschaft durch das Wort „idealerweise“ noch mutwillig verschärfen.

„Es wird keiner Geschäfte machen wollen, außer einem schnellen Rubel, wenn das Vertrauen in die Seriosität der russischen Führung nicht vorhanden ist“, sagt der Diplomat und CDU-Politiker Knut Abraham. „Präsident Putin hat dieses Vertrauen durch sein Verhalten unterminiert.“ Foto: CDU
Und welche Konsequenzen sind in Richtung Russland jetzt angezeigt?
Wenn es zu einem Angriff auf ein wehrloses Nachbarland kommt, müssen natürlich scharfe Sanktionen verhängt werden. Wir müssen überlegen, welche Folgen das Verhalten Russlands hat. Das ist erstmal eine Frage in Richtung Sicherheitspolitik und auch nach den militärischen Kapazitäten. Unsere Freunde in den baltischen Staaten und weiter im Süden haben wirklich Angst vor dem Verhalten, das die russische Seite hier gezeigt hat. Auch das Drohszenario, das wir hier sehen, muss ja eine klare Reaktion von unserer Seite nach sich ziehen. Da wird es auch um Nord Stream 2 gehen.
Hat Ostdeutschland noch immer eine besondere wirtschaftliche Interessenlage in Bezug auf Russland?
Nein, die Zahlen untermauern dies nicht. Russland ist nicht unter den ersten zehn Exportländern Brandenburgs. Wir exportieren sogar mehr nach Belgien als nach Russland. Umgekehrt ist allerdings unser Import von Gas und Öl erheblich, diese machen knapp 98 Prozent unserer Importe aus Russland aus. Was wir aber verstärkt haben im Osten Deutschlands, ist eine gefühlte Nähe. Dazu kommt auch ein weit verbreitetes Verständnis von dem enormen Potenzial, was ein Handel mit Russland, wenn er frei und vertrauensvoll wäre, ausmachen könnte. Da spielen durchaus Erfahrungen der DDR-Zeit mit, als die Wirtschaft auf Russland ausgerichtet war. Inzwischen geht es aber eher um ein theoretisches Potenzial als um tatsächliche wirtschaftliche Beziehungen.
Sollte man mit einem Partner wie Russland noch Geschäfte machen?
Sicher sollten, solange es keine weitere Eskalation gibt, Geschäfte weiterhin getätigt werden können. Wir sollten daran arbeiten, das enorme Potenzial der russischen Wirtschaft für uns zu nutzen. Nur dafür braucht es einen vernünftigen politischen Rahmen. Und es braucht Vertrauen, denn es wird keiner Geschäfte machen wollen, außer einem schnellen Rubel, wenn das Vertrauen in die Seriosität eines russischen Geschäftspartners oder der politischen Führung nicht vorhanden ist. Präsident Putin hat dieses Vertrauen durch sein Verhalten unterminiert.
Was ist mit dem Konzept „Wandel durch Annäherung“, das hat doch schonmal geklappt?
Das funktioniert nur, wenn ein Grundmaß an Vertrauen gegeben ist. Zu Zeiten von Brandt und Breschnew gab es ein Grundmaß an Berechenbarkeit und Vertrauen, trotz gröbster politischer Unterschiede. Im Moment kann ich das nicht erkennen.
Schlecht für die Lausitzer Energiewirtschaft, die ja mit russischem Gas die Transformation schaffen will.
Ja, das wird ohne russisches Gas nicht gehen. Deswegen schmerzen auch uns mögliche Sanktionen. Wir müssen mit russischem Gas denken und arbeiten. Dafür braucht es nicht nötigerweise Nord Stream 2, dafür reichen die Transitleitungen, die durch die Ukraine führen.
Oder man forciert den Ausbau von Windkraft, damit die Produktion von grünem Wasserstoff schneller rentabel wird.
Da müssen wir realistisch bleiben. Wir werden eine Debatte bekommen, weil die Möglichkeiten der Erneuerbaren in Brandenburg in die Nähe des Ausgeschöpftseins gehen. Und sicher wird noch eine zweite Debatte dazukommen, nämlich die um eine moderne Variante der Kernenergie.
Knut Abraham, Jahrgang 1966, ist Bundestagsabgeordneter mit Wahlkreis Elbe-Elster und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Der Jurist war Generalkonsul in Washington und ist seit 2018 Gesandter der Deutschen Botschaft in Warschau. Mit Knut Abraham sprach Christine Keilholz.