In der Niederlausitz wird das Strukturwandel-Geld knapp. Bis 2026 ist das meiste bereits verplant. Und die erhofften Wirtschaftshilfen aus Brüssel fallen nun doch kleiner aus.
Von Christine Keilholz
In ihrer jüngsten Sitzung hatte die Strukturwandel-Werkstatt „Unternehmen, Wirtschaftsentwicklung, Fachkräftesicherung“ wenig zu tun. Nur zwei Projekte standen zur Beratung an. In den fünf Sitzungen davor waren es immer mindestens zehn, manchmal 15 Projekte gewesen, die auf eine Förderung hofften. Diesmal war es der Handwerkskammer Cottbus und dem Verein Wertewandel aus Vetschau zu verdanken, dass es überhaupt etwas zu beraten gab. So langweilig kann Strukturwandel sein, wenn die Arbeit erledigt ist. Ist sie nämlich zu einem großen Teil.
Die Werkstatt 1 ist in der brandenburgischen Lausitz sowas wie der Hohe Rat der Jedi. Hier sitzen die ranghöchsten Vertreterinnen und Vertreter der Lausitzer Wirtschaft beisammen, um aus einer Fülle von Anträgen diejenigen mit Potenzial herauszufiltern. Jedenfalls ist das so gedacht. Doch die Video-Sitzung Mitte Januar war der lebendige Ausdruck dessen, was nun auch in Zahlen vorliegt: Brandenburgs Landesmittel für die erste Förderperiode sind zu drei Vierteln aufgebraucht. Bis 2026 stehen dem Land 1,44 Milliarden Euro zur Verfügung – davon wurden bis jetzt bereits 1,09 Milliarden von den Werkstätten verteilt. Das ergab eine Kleine Anfrage der Linken an die Landesregierung, die Neue Lausitz vorliegt. Darin fragte die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg gezielt nach den „Tätigkeiten der Wirtschaftsregion Lausitz angesichts fast vollständig verplanter Mittel in der Förderperiode“ für die nächsten vier Jahre. Die Erkenntnis: Nach dem Ende des Geldes ist noch viel Zeit übrig.
Zeitplan des Strukturwandels in Frage
Mit diesem Problem steht Brandenburg nicht allein. In Sachsen gab es bereits Aufruhr aus ähnlichen Gründen. Dort ist sogar mehr Geld einem Zweck zugewiesen, als eigentlich bis 2026 zur Verfügung steht. Etliche langwierige Großprojekte wurden vorsorglich in den Prozess hineingeschrieben, auch wenn dafür erst in vielen Jahren der Bagger beißt. Nun stellt sich die Frage, was die Lausitzer Strukturwandel-Bürokratie vier Jahre lang anfängt, wenn es nichts mehr zu entscheiden und verteilen gibt. Und wie Bund und Land die kommunalen Projektträger bei Laune halten, wenn die auf Jahre hinaus keine Projekte einreichen können. Und wie man einen so wichtigen Prozess unter diesen Vorzeichen dauerhaft am Leben hält.
Aber das ist nicht der einzige Grund, warum am Zeitplan des Strukturwandels neuerdings ein großes Fragezeichen hängt. Mit dem früheren Kohleausstieg, den die Ampelregierung angekündigt hat, müsste auch der Strukturwandel „idealerweise bis 2030“ erledigt sein. Welchen Sinn haben da noch die drei Förderperioden des Strukturwandels, die auf zwei oder drei Jahre schrumpfen würden?
JTF landet zum Großteil in Berlin
Von den Dimensionen Zeit und Geld, denen der Kohleausstieg unterworfen ist, bleibt dennoch das Geld die brisantere. Denn auch andere Geldquellen reduzieren sich. Allen voran jene aus dem Just Transition Fund (JTF) der Europäischen Union – die schrumpfen in Brandenburgs Rechnung um mehr als 600 Millionen Euro. Mit dem JTF sollten die Länder doch noch die Möglichkeit bekommen, Unternehmen direkt zu fördern – was das Strukturstärkungsgesetz selbst nicht vorsieht. Doch die 786 Millionen, die Brandenburg über den JTF bekommt, sind kein Geldgeschenk aus Brüssel. Davon müssen 85 Prozent an den Bundeshaushalt zurückgegeben werden. Folglich stehen Brandenburg für Landes- und Kommunalprojekte nicht die gesamten 3,6 Milliarden zur Verfügung, sondern nur 2,944 Milliarden, wie die Staatskanzlei in Potsdam gegenüber der Linken-Abgeordneten Schwarzenberg vorgerechnet hat.
Damit blieben die über Monate wiederholten Forderungen aus der Lausitzer Wirtschaft, die Mittel den Unternehmen zugute kommen zu lassen, letztlich ohne Ergebnis. Der JTF-Fördertopf, den Brüssel schuf, um „den gerechten Übergang der zustehenden EU-Mittel für die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen“ zu sichern – oder einfacher gesagt: Um die Kohlereviere für den Verzicht auf die Kohle zu belohnen – landet zum größten Teil in Berlin.
Produktionshallen konkurrieren mit Vereinsprojekten
Der JTF ist praktisch die einzige auf den Strukturwandel zugeschnittene Form der Förderung für kleine und mittelständische Unternehmen. Die EU gewährt Deutschland rund 2,3 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Davon gehen 785 Millionen Euro an Brandenburg und 645 Millionen an Sachsen. Dass die von Brüssel vorgegebenen Förderperioden nicht mit denen des deutschen Kohleausstiegs kongruent sind, erschwert die Rechnung. Bis 2038 – dem ursprünglich geplanten und noch geltenden Ende der Strukturstärkung – stehen dem Land Brandenburg insgesamt 3,612 Milliarden zur Verfügung. Abzüglich der JTF-Mittel bleiben nun noch 2,944 Milliarden übrig.
Damit ist die lange geforderte Förderung für Unternehmen zwar da – aber sie zwackt den Kommunen und öffentlichen Projektträgern Mittel ab. In den Werkstätten der brandenburgischen Lausitz wie auch in den Begleitausschüssen Sachsens werden künftig Produktionshallen und Energie-Investmenthilfen konkurrieren mit Bahnhofssanierungen, Straßen und Vereinsvorhaben.
Ampel-Regierung behält das Geld
Aus Berlin ist derzeit kein Enthusiasmus zu vernehmen, daran etwas zu ändern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Knut Abraham fragte Anfang Februar beim Bundeswirtschaftsministerium nach, ob man sich mit dem Gedanken trage die Mittel aus dem Just Transition Fund „zu 100 Prozent an die Länder auszugeben“. Als Antwort kam vom Staatssekretär der Grünen, Sven Giegold, ein kühles Nein. Das JTF-Geld werde „grundsätzlich auf die Mittel des Investitionsgesetzes Kohleregionen angerechnet“ – aber die Anrechnung immerhin auf 85 Prozent begrenzt.
Die Werkstätten, auf die Brandenburg so stolz ist, haben nun also weniger Geld zu verteilen für mehr Projekte – von denen immer mehr keine Chance auf Förderung haben werden. An Unterbeschäftigung müssen die Gremien nach Ansicht der Staatskanzlei dennoch nicht leiden. Mit der Betreuung und Begleitung der Vorhabenträger hätten sie weiterhin gut zu tun.