Die Lausitzer Politik versucht auf allen Ebenen, junge Leute in der Region zu halten. Die 17-jährige Lena Schmelig aus Weißwasser schreibt im Gastkommentar, warum sie sich davon nicht angesprochen fühlt.
Gastkommentar von Lena Schmelig
Ich will im nächsten Jahr mein Abitur ablegen. Entsprechend oft wird mir die Frage gestellt: „Was möchtest du nach dem Abitur machen?“ Ich weiß das ziemlich genau: Ich will Wirtschaft studieren – und ich will erstmal weg aus der Lausitz. Das mit dem Weggehen sehen viele meiner Mitschülerinnen und Mitschüler ähnlich. Bei uns in der Schule ist das öfter ein Thema von Diskussionen. Die meisten wollen natürlich studieren. Sie freuen sich auch auf ein paar spannende Jahre in Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover oder Frankfurt/Main. Diese Städte stehen bei uns Jugendlichen hoch im Kurs. Dabei fällt mir vermehrt auf, dass niemand den Wunsch äußert, an den Hochschulen der Lausitz, also in Cottbus oder Görlitz anzufangen.
Gleichzeitig beobachte ich: Die meisten meiner Freundinnen und Freunde sind sehr heimatverbunden. Sie sorgen sich um die Zukunft der Lausitz. Einige sind auch engagiert oder in Vereinen aktiv. Wir sind eine Generation, der die Lausitz nicht egal ist. Aber trotzdem sehen wir für uns – zumindest für die nächsten Jahre – keine Perspektive. In meinem Fall hängt das auch mit der Fachrichtung zusammen, die ich einschlagen will. Ich habe das Gefühl, was ich machen möchte, ist in der Lausitz nicht wirklich gefragt.
MINT-Nachwuchs wird gesucht – ich nicht
Die Lausitz sucht händeringend Nachwuchs. Aber die Rede ist meistens von Technologie, Physik und Chemie. In allen möglichen Berufsberatungen wird uns Jugendlichen empfohlen, in Zittau, Görlitz oder Cottbus eines der MINT-Fächer zu studieren. Warum das gemacht wird, kann ich nachvollziehen. Das möchte ich auch nicht abwerten. Technologien werden gebraucht, gerade in unserer Region, die mitten im Strukturwandel steckt. Doch was ist, um nur Beispiele zu nennen, mit den sprachwissenschaftlich, geisteswissenschaftlich und nicht zuletzt wirtschaftswissenschaftlich orientierten Jugendlichen? Wer vermittelt uns, dass wir hier gebraucht werden? Das ist, meines Erachtens, dringend nötig. Denn wir Jugendlichen bekommen ja mit, dass viel getan wird, um uns hier zu halten. Aber ehrlich: Uns reicht es nicht zu hören, dass es Kindergartenplätze und Baugrundstücke gibt. Denn, nochmal: Uns ist es ja nicht egal, wie es mit der Lausitz weitergeht.

Lena Schmelig, 17, lebt in der Nähe von Weißwasser und ist Schülerin der 11. Klasse am Landau Gymnasium Weißwasser. Als Schülersprecherin setzt sie sich gemeinsam mit dem Schülerrat für mehr Toleranz und Solidarität in der Region ein. Foto: privat
Die Abwanderung qualifizierter junger Menschen ist ein großes Problem für die Lausitz. Der Lausitz-Monitor von 2021 enthüllte die bittere Wahrheit, dass die Hälfte der jungen Menschen von 18 bis 29 Jahren plant, die Lausitz innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verlassen. Dabei darf man nicht vergessen, dass viele junge Menschen dieser Altersgruppe direkt nach dem Abitur die Region hinter sich lassen und somit nicht mehr dieser Statistik angehörig sind. Der Anteil an Personen, die gehen möchten, ist in meinem Alter also noch höher.
Aber die Zahlen zeigen auch etwas anderes: Ein Drittel dieser Altersgruppe fühlt sich der Region verbunden. Doch auch wenn wir die Natur, die Ruhe und das familiäre Umfeld hier zu schätzen wissen, sprechen aktuell zu viele Tatsachen gegen das Bleiben. Die Lausitz hat eben keinen guten Ruf als Region von Wirtschaft oder Wissenschaft und ist auch nicht für gute Arbeitsplätze bekannt. Das sieht im Lausitz-Monitor ein Drittel der jungen Menschen so. Viele in meinem Jahrgang haben keine Lust auf ein Studium in der Lausitz, weil die Universitäten außerhalb der Region besser in den Hochschulrankings abschneiden oder sogar einen einfacheren Einstieg in die Arbeitswelt, mit besseren Gehaltsaussichten, ermöglichen.
Wir wollen ja gern bleiben
Aber wir blicken ja schon über das Studium hinaus. Nicht nur das Verlassen unserer Region steht hoch im Kurs, sondern auch die Überlegung, nach dem Studium oder der Ausbildung zurückzukommen. Die Lausitz will in den nächsten Jahren eine Wissenschaftsregion werden. Wenn das klappt, wenn die neu gegründeten Forschungsinstitute tatsächlich attraktive Arbeitgeber werden, dann kann meine Generation davon profitieren. Aber dafür müsste diese Forschung breiter aufgestellt werden. Es sollte nicht nur um Energieforschung oder IT gehen. Es muss auch Angebote für Leute geben, die keine Affinität zu MINT haben. Viele meiner Freundinnen und Freunde wollen Gesellschaftswissenschaften, Politik oder Lehramt studieren. Wenn die Lausitz uns zurückbekommen will, dann dürfen solche Felder nicht länger als „Nice to have“-Branchen abqualifiziert werden, die angeblich keine Wertschöpfung bringen.
Dann sollte sich die Lausitz nicht ausschließlich mit Hochtechnologie-Projekten schmücken, in die Millionen an Fördergeld fließen. Dann sollten die Entscheidungsträger der Lausitz kapieren, dass sie auch anderem Nachwuchs die Möglichkeit bieten müssen, eigene Talente zu entfalten – nicht nur den Ingenieuren. Außerdem sollte die Lausitz diesen Nachwuchs besser bezahlen und bessere Möglichkeiten zur Fortbildung bieten, damit wir wissenschaftlich auf dem Stand bleiben und uns somit als Wirtschaftsregion konkurrenzfähig machen können. Wenn die Lausitz das bieten kann, dann komme ich gern nach dem Studium wieder zurück – und meine Freundinnen und Freunde sicher auch.