Das milliardenschwere Bahnwerk soll den Industriestandort Cottbus wieder groß machen. Doch für die Bauwirtschaft der Lausitz ist das Prestigeprojekt ein Flop.
Von Christine Keilholz
In Cottbus soll das modernste Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn entstehen. Eine Milliarde investiert der Staatskonzern, um diesen Leuchtturm der neuen Lausitzer Industrie zu errichten. Für Stefan Matuschka sind das zu viele Superlative. Um einen Auftrag bei diesem Milliardenprojekt hat sich der Cottbuser Bauunternehmer noch nicht beworben. „Dafür sind wir als Betrieb zu klein.“ Mit dem Problem steht er nicht allein. Das trifft auf praktisch die ganze Lausitzer Bauwirtschaft zu. Eine Folge davon: Beim größten Prestigeprojekt des Strukturwandels sind die regionalen Firmen bislang außen vor. Auf ein Stück vom größten Auftragskuchen in Brandenburg hat der Cottbuser Mittelstand kaum eine Chance.
Das wird nun auch der Landesregierung bewusst. Ein saurer Ton mischt sich sogar in die Jubelbotschaften, die aus Potsdam zu hören sind, wenn es um das Bahnwerk in Cottbus geht. Beim jüngsten Baustellenbesuch brachte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) in seinem Lobgesang auf Bahn und Bund immerhin die Bemerkung unter, dass „nun die heimische Wirtschaft bei der Realisierung des Projektes entsprechend einbezogen“ werden müsse. Was der Bevollmächtigte des Konzerns prompt überhörte. Alexander Kaczmarek nannte andere Prioritäten: „Ziel ist, im Zeit- und Kostenrahmen zu bleiben, kooperativ zu arbeiten und das Projekt zum Erfolg zu bringen.“ Damit ist der Fahrplan für das „Neue Werk Cottbus“ klar: Es muss schnell gehen. Es darf nicht teurer werden. Unvorhersehbares ist nicht vorgesehen.
Nur als Sub-Unternehmer eine Chance
Um das zu schaffen, hat die Bahn das gesamte Cottbuser Bauprojekt in fünf Baulose aufgeteilt und diese europaweit ausgeschrieben. Nach Angaben des Konzerns war dieses Vergabeverfahren bereits im November 2021 abgeschlossen. Die Aufträge gingen an große Player wie Rhomberg Sersa Rail Group und die Arcadis Germany GmbH. Daneben sind die LOGSOL GmbH sowie Wayss & Freytag Ingenieurbau AG an Bord. Ihnen obliegt der Neubau von zwei Instandhaltungshallen für elektrische Triebzüge. Des Weiteren der Umbau der derzeitigen Kompakthalle, wo ab 2026 Lokomotiven für den Hybridbetrieb umgerüstet werden.
Diese erste große Vergaberunde fand statt, ohne dass regionale Firmen zum Zug kamen. Sehr zum Ärger der Lausitzer Wirtschaft. „Es gibt höchstwahrscheinlich kein Unternehmen in der Region, das einen 200-Millionen-Auftrag stemmen kann“, sagte Jens Krause, Generalmanager der IHK Cottbus gegenüber Neue Lausitz. Hier haben einheimische Firmen, wenn überhaupt, nur als Nachunternehmer eines der Big Five eine Chance. Krause drängt darauf, dass das nun auch geschieht. „Jetzt muss es darum gehen, den Prozess zumindest in der weiten Runde ein bisschen regionalkonform zu gestalten.“
Neuartiges Partnerschaftsmodell Schiene
Aber auch da sind die Signale aus dem Kreis der Groß-Auftragnehmer wenig positiv. Es gehe schließlich darum, dass „Synergien optimal genutzt sowie Fehlerquellen und Reibungsverluste auf ein Minimum reduziert werden“, sagte Konrad Schnyder, President Owner Board bei Rhomberg Sersa. Die Bahn wendet in Cottbus erstmals ein neues Vertragsmodell an. Dieses sogenannte „Partnerschaftsmodell Schiene“ zielt laut Bahn-Bevollmächtigtem Kaczmarek darauf ab, Termine und Kosten einzuhalten, indem alle Beteiligten „viel enger zusammenarbeiten und viel früher eingebunden werden als üblich“. Entwickelt wurde das Vertragsmodell von der DB zusammen mit Bauindustrie und Ingenieurverbänden. Doch wer diese Beteiligten sein werden, darüber war bei der Vertragsunterzeichnung Mitte März wenig zu erfahren.
Kenner solcher Prozesse gehen nun davon aus, dass auch die Sub-Aufträge de facto bereits vergeben sind. „Auftraggeber wie die Bahn arbeiten bei solchen Projekten mit ihren üblichen gelisteten Vertragspartnern zusammen. Da ist dann oft die gesamte Auftragskette bereits vergeben“, sagte Thomas Herrschelmann, Sprecher der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg: „Für regionale Firmen ist das natürlich ärgerlich, wenn sie dort nicht zum Zuge kommen können.“
Viel Aufwand und hoher Preisdruck
Derweil hält sich das Interesse unter den Lausitzer Baufirmen in Grenzen. Großprojekte sind verbunden mit hohem Preisdruck und aufwendigen Zertifizierungsverfahren. „Der Aufwand an Bürokratie ist sehr hoch und kostet viel Zeit“, sagte die Sprecherin einer Cottbuser Firma zur Neuen Lausitz. Man sei mit früheren Aufträgen für die Bahn nicht froh geworden. „Das hat uns viele Nerven gekostet und stand am Ende in keinem Verhältnis zum Gewinn.“ Etliche Lausitzer Firmen zeigten sich auf Nachfrage zurückhaltend, verwiesen auf die gute Auftragslage. Die Grundaussage aus der Branche: Lieber fünf kleine Aufträge als zwei Jahre lang einen einzigen für die Bahn.
Auch Carsten Matthieu winkt ab. Der Obermeister der Innung Sanitär und Heizung für Cottbus und Spree-Neiße kennt das Bahnwerk als Leuchtturm-Projekt, aber kaum als Chance für die 42 Handwerksfirmen, die er vertritt. Denn die haben nur vier bis acht Mitarbeiter und würden kaum in der neuen vierteiligen Halle 2000 Meter Rohre verlegen können: „Dafür, dass die Politik so einen Wind um dieses Bahnwerk macht, kommt für uns kleine Betriebe nicht viel heraus“, sagte Matthieu. Er hat eher die Instandhaltung und Wartung im Blick, die nach dem Bau kommt. „Wenigstens da sollten wir ins Spiel kommen.“ Das sieht die IHK Cottbus genauso und hat eigens zur nächsten Vollversammlung am 7. April den Projektleiter der Bahn, Thomas Herr, eingeladen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es günstiger ist, mit jedem Bagger und jedem Bauarbeiter aus Westdeutschland anzurücken“, sagte Generalmanager Krause.