Cottbus ist seit wenigen Tagen Drehkreuz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Was Cottbus tun kann, um nicht nur Durchgangsstation zu sein, weiß Magdalena Puchala. Die 24-jährige Studentin spricht als Übersetzerin am Bahnhof als erste mit den Ankommenden.
Frage: Frau Puchala, Sie kommen am Cottbuser Bahnhof als erste mit den Kriegsflüchtlingen ins Gespräch. Worauf kommt es da an?
Magdalena Puchala: In den letzten Tagen kamen täglich ein bis zwei Züge mit flüchtenden Menschen in Cottbus an. Diese Menschen sind erschöpft. Sie wollen wissen, wo sie schlafen können und ob es in ihrer Unterkunft eine Dusche gibt. Darum geht es zunächst: Die Menschen in Empfang nehmen, mit ihnen zu reden, sie auch zu trösten, damit sie ruhig werden. Und ihnen Rast anzubieten. Es gibt das Zelt am Bunten Bahnhof, da können wir die Leute erstmal ankommen lassen. Das hilft erstmal.

Magdalena Puchala und ihr Verlobter, Werner Meyer, engagieren sich am Bahnhof für die Kriegsflüchtlinge. „Die Leute würden vielleicht bleiben, dafür brauchen sie aber Platz und Arbeit“, sagt die Studentin. Foto: privat
Wie geht es dann weiter?
Viele haben ein anderes Reiseziel und wollen schnell weiter. Manche haben große Koffer, manche haben alles in Plastiktüten gestopft. Manche haben auch Tiere. Neulich hatten wir eine Familie mit zwei Hunden und einem Käfig mit Vogel. Ich merke oft, dass sie Angst haben, dass wir sie alleine lassen am Bahnsteig und sie nicht wissen, wie sie weiterkommen. Wir helfen dann dabei, Zugverbindungen zu finden.
Was sind die Ziele?
Viele wollen nach Berlin. Manche wollen von dort aus weiterreisen in andere Städte. Viele wollen dort aber auch bleiben. Es gibt aber auch sehr viele, die kein Ziel haben. Die einfach nicht wissen, wohin sie wollen. Neulich hat mich eine Frau gefragt, wie weit es noch nach Deutschland ist. Nach Berlin wollen viele, weil sie Berlin schonmal gehört haben und weil ihnen das Sicherheit gibt. Sie glauben, sie wären dort besser aufgehoben.
Nur ist Berlin jetzt schon an der Belastungsgrenze.
Ja, das sagen wir den Leuten auch. Aber nicht alle lassen sich davon überzeugen und wollen trotzdem weiter nach Berlin. Manchmal sind das 30 von 250 Leuten aus einem Zug. Dadurch entsteht natürlich nach und nach ein Problem, weil Berlin keinen Platz hat.
Was brauchen diese Menschen?
Erstmal ganz einfache Dinge. Einen Platz zum Schlafen, etwas zu Essen und Trinken. Später Hygieneartikel und Kleidung. Frauen mit kleinen Kindern bekommen auch Kinderwagen, die sie mitnehmen können. Über diese unmittelbare Versorgung hinaus geht es darum, dass die Leute einfach normal leben wollen. Das haben mir viele gesagt. Diese Frauen wollen eine Wohnung finden und Arbeit, ein Konto eröffnen und SIM-Karte, damit sie telefonieren können. Natürlich ist es wichtig, dass sie erstmal zur Ruhe kommen können. Aber es ist wichtig zu wissen, dass die meisten schnell einen Job wollen, auch um auf andere Gedanken zu kommen in dieser schweren Lage. Es gibt auch Leute, die sich selbst engagieren. Die sind vor einer Woche vielleicht angekommen und jetzt kommen sie zum Bahnhof, ziehen sich eine Weste an und helfen mit.
Wie hat der Krieg in der Ukraine Cottbus verändert?
Das soziale Engagement im privaten Bereich ist sehr groß. Sehr viel Hilfe in der Stadt ist privat organisiert. Hier ist die Zivilgesellschaft lange vor den Behörden aktiv geworden. In vielen Städten wird noch zu viel diskutiert, wie man diese Aufgabe organisieren soll. Man ist immer schneller, wenn man Eigeninitiative ergreifen will.
Und wie hat der Krieg in der Ukraine Ihr Leben verändert?
Mich haben die ersten Nachrichten vom Krieg sehr mitgenommen. Für mich als Polin ist das eine sehr besorgniserregende Situation. Viele in meinem Land haben Angst, dass der Krieg zu uns kommt. Ich denke, es ist wichtig, jetzt aktiv zu helfen, das wollte ich hier in Cottbus tun. Zuerst spendete ich und als ich gehört habe, dass Leute am Bahnhof ankommen, habe ich mich als Übersetzerin angeboten.
Es gibt bereits eine Konkurrenz der Regionen und Branchen um die Fachkräfte aus der Ukraine. Was kann die Lausitz tun, damit die Menschen bleiben, statt in die Großstädte weiterzuziehen?
Größtes Problem ist die Wohnungsvermittlung. Das ist wohl die technische Seite. Die Messehalle ist voll. Manche warten auf eine Wohnung. Die Leute würden vielleicht bleiben, dafür brauchen sie aber Platz. Und dann Arbeit: Da war eine Ingenieurin dabei, die hat gesagt, sie will in Cottbus bleiben, Deutsch lernen und schnell arbeiten. Und es ist wichtig, dass man jetzt Angebote für die Kinder schafft. Dass die aktiv sein und sich ablenken können. Auch Schule ist wichtig. Wenn man das jetzt unkompliziert und rasch organisieren kann, wäre das ein wichtiges Plus.
Magdalena Puchala, 24, studiert Informatik an der BTU. Die junge Polin stammt aus Poznan und lebt seit 2016 in Cottbus. Mit Magdalena Puchala sprach Christine Keilholz.