Der Energiefachmann, der alle vereinen will

Stephan Meyer will Landrat in Görlitz werden. Doch dazu reicht es nicht mehr, ein heimatverbundener CDU-Mann ohne Skandale zu sein. Meyer muss ein alternatives Angebot in der AfD-Hochburg machen.

Von Robert Saar

Stephan Meyer ist mit dem Strukturwandel in der Lausitz nicht zufrieden. „Wir haben das Problem, dass Entscheidungen über den Strukturwandel oft von zu weit weg fallen“, ist der CDU-Politiker überzeugt. Meyer will die Entscheidungen näher zu den Menschen in der Oberlausitz bringen. Das Ende der Braunkohle bedeutet eine große Herausforderung, andererseits, aber auch viel Geld in die Region. 2020 wird Meyer in einem Podcast der CDU-Landtagsfraktion zum Strukturwandel befragt. Für die ehemaligen Kohlegebiete gehe es nun darum, „kluge Ideen zu entwickeln, was die industrielle Wertschöpfungsbasis für die Zeit nach der Kohle sein wird“. Dabei müssten Gemeinden, Gesellschaft, Wissenschaft und eben der Landrat gut zusammenarbeiten. Jetzt will Meyer selbst Landrat im Kreis Görlitz werden. 

Nach 13 Jahren als Landtagsabgeordneter ist der 41-Jährige im Rennen um einen der Schlüsselposten der sächsischen Politik. Überzeugen will der dreifache Vater bei der Wahl am 12. Juni mit Überparteilichkeit, internationaler Kooperation beim Strukturwandel und mit dem Nein zur Kooperation mit der AfD. 

Ein Zittauer durch und durch

Die CDU Sachsen hat ein Problem: Die AfD macht ihr an der Substanz Konkurrenz. Bei den Europawahlen 2019 holten Rechtspopulisten neun von 13 Landkreisen und kreisfreien Städten. Bei der Landtagswahl im gleichen Jahr kam die CDU mit einem blauen Auge davon und wurde stärkste Kraft. Die Landratswahlen diesen Juni sind der nächste Härtetest für CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und die Seinen. Im Landkreis Görlitz geht mit Stephan Meyer ein erfahrener Landespolitiker an den Start, die AfD zurückzudrängen. 

Stephan Meyer wird 1981 in Zittau geboren, wo er auch das Gymnasium besucht. Nach zweijährigem Wehrdienst, Meyer ist Hauptmann der Reserve und Logistiker, kehrt er nach Zittau zurück und beginnt ein Studium zum Wirtschaftsingenieur. Sein Diplom macht Meyer mit bestechenden 1,3 am Internationalen Hochschulinstitut Zittau (IHI), bevor er 2009 endgültig in der sächsischen Landespolitik ankommt – als Landtagsabgeordneter. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim nun geschassten CDU-Minister Roland Wöller und absolvierte einen Forschungsaufenthalt im Umweltministerium des Freistaats. 

Fachmann für technischen Strukturwandel 

In CDU-Kreisen wäre das ein mustergültiger Lebenslauf ohne Skandale. Aber das reicht im Jahr 2022 nicht mehr, um in Ostsachsen an die Macht gewählt zu werden. Meyer wird auch die Stimmen aus anderen Lagern brauchen, um seinen Parteikollegen Bernd Lange als Landrat zu beerben. Im Landtag ist Meyer Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft, Hochschule, Kultur und Medien, davor war er umweltpolitischer Sprecher. Bereits im Diplom beschäftigt er sich mit Energieeffizienzvergleichen im Verarbeitenden Gewerbe und promoviert 2011, ebenfalls in Zittau, zum Thema „Energieeffizienzsteigerung entlang der Supply Chain“

Die technischen Trendthemen des Strukturwandels hat Meyer parat. Im Gespräch mit Neue Lausitz erläutert er, dass sich durch Leichtbau mit Kohlenstoff grundsätzlich Energie sparen lasse. Mit Wasserstoff will er Görlitz den Status als Energielandkreis, wie Meyer es nennt, bewahren. Den Ausbau der Windkraft hält Meyer für zweckmäßig. Den von seiner Landespartei durchgesetzten Mindestabstand von 1000 Metern für Windkraftanlagen zu Wohngebieten, verteidigt Meyer: „Ich bin dafür!“ Für die finanzielle Beteiligung der Kommunen am Ertrag der Anlagen ist er auch. Für ihn birgt Windenergie Potenzial, doch man müsse die Bevölkerung bei der Planung frühzeitig einbeziehen. Das gilt auch für den Rest des Strukturwandels. „Deswegen ist mir wichtig, dass man frühzeitig über den regionalen Begleitausschuss die Inhalte der Projekte hier vor Ort transparent macht“, sagt er. Meyer will „stärkere Transparenz, stärkere Bürgerbeteiligung“. Damit macht man selbst beim Aufregerthema Windkraft lagerübergreifend nichts falsch. 

Geimpft, aber gegen die Impfpflicht 

Wenn Stephan Meyer überparteilich sagt, dann meint er das auch. Im Frühjahr 2020, es formiert sich erster Widerstand gegen Coronamaßnahmen im Land, besucht Meyer zusammen mit der Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert, mit der er schon viele Jahre befreundet sei, eine Demonstration der Querdenker. Beide tragen Stoffmasken über der Nase und halten Schilder mit der Aufschrift „Gesprächsbereit“ in die Luft. Später sagt Meyer im Fernsehen, er habe auf die Existenzsorgen der Menschen in der Pandemie eingehen wollen. Doch nicht alle auf der Demo waren gesprächsbereit, wie Meyer selbst zugibt. Er habe auch Menschen getroffen, die die Existenz des Virus verneinen – eine Basis für ein Gespräch „gibt es dann dort nicht“, sagt er. Meyer ist gegen Covid19 geimpft, aber ausdrücklich gegen die Impfpflicht, die viele Ostsachsen erbittert ablehnen. 

An anderer Stelle sind seine Überzeugungen klarer zu fassen. Meyer will dem Zuzug von Rechtsradikalen in den Kreis den Riegel vorschieben: „Wir erleben, dass im Landkreis gezielt Immobilien von Reichsbürgern erworben werden und es gibt verdeckte Strukturen und Netzwerke, die demokratiefeindlich sind. Dort muss man – wo es möglich ist – mit kommunalen Vorkaufsrechten ganz frühzeitig eingreifen.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für Meyer nicht in Frage, sprechen will er jedoch mit allen im Kreis vertretenen Parteien.