Philipp Eichler will Bürgermeister von Rothenburg werden. Der 24-Jährige ist Spross einer uralten Oberlausitzer Fleischerdynastie. Für die CDU kann er Boden gut machen in einer wichtigen Wählergruppe.
von Christine Keilholz
Philipp Eichler ist einer, der überzeugt. Zwei Freundinnen, erzählt er, hat er schon vom Vegetarismus geheilt. Er hat sie eingeladen in seinen Betrieb. Dort haben sie gesehen, wie gute Wurst gemacht wird – und sie gegessen. Eine nette kleine Geschichte aus Eichlers Berufsleben, die von etwas zeugt, was für den Politiker Eichler wichtig sein dürfte. Der 24-Jährige will in seiner Heimatstadt Rothenburg/Oberlausitz Bürgermeister werden. Wer in Sachsens östlichster Kleinstadt gegen die AfD gewinnen will, muss alle überzeugen, die die AfD nicht wollen. Selbst Vegetarier.
Im traditionsbewussten Rothenburg holte die AfD bei der Bundestagswahl 2021 knapp 300 Stimmen mehr als die CDU, für die Eichler antritt. Der 24-Jährige weiß, dass es für die angeschlagene Regierungspartei auf Leute wie ihn ankommt: bodenständig, heimatverbunden, mit Meisterbrief und anständigem Haarschnitt. „Wir sind hier eine strukturschwache Region“, sagt er, „deshalb ist es wichtig, dass sich junge Leute engagieren.“
Dem Familiengeschäft und der Heimat treu geblieben
Der Kandidat Eichler will punkten mit Handwerk, Qualität und unbedingter Sesshaftigkeit. Darauf setzt seine Kampagne. Man weiß über den jungen Bürgermeisterkandidaten, dass er einer Fleischerdynastie entstammt, die seit Goethes Zeit ihr Geschäft am Rothenburger Markt betreibt. Das zumindest sagt die Urkunde, die die Familie hütet. Eigentlich, sagt Eichler, geht die Familiengeschichte noch weiter zurück, nämlich bis Luther.
Erstaunlich an Familie Eichler ist nicht nur ihre lange Geschichte, sondern auch, dass ihre junge Generation noch da ist. Im Familienbetrieb, der 24 Leute beschäftigt, arbeitet Eichler mit Bruder und Schwester zusammen. Alle drei sind mit ihren Ausbildungen dem Fleischereibusiness treu geblieben. In einer Region, die junge Leute in Scharen verlassen, ist das eine Besonderheit. Rothenburg ist mit seinen 4800 Einwohnern der Arbeitsort von einigen gut ausgebildeten Fachkräften, die doch lieber in Görlitz wohnen wollen. Mit der Polizei-Hochschule hat Rothenburg sogar einen akademischen Standort zu bieten. Doch der strahlt wenig ins städtische Leben hinein. Das muss sich ändern, sagt Philipp Eichler.
Mit 24 alles erreicht, was ein Fleischer sich wünschen kann
Er ist hier aufgewachsen und zur Grundschule gegangen. Von den Freunden, mit denen er 2015 in Görlitz Abitur gemacht hat, sind ein paar dageblieben, einige andere sind auch schon wieder zurückgekehrt vom Studium, um in der alten Heimat eine Existenz aufzubauen. Eichler hat seine Ausbildung in Mittweida gemacht. Seitdem hat er alles mitgenommen, was es in seinem Fach zu gewinnen gibt. Er war jüngster Fleischermeister Sachsens, bester Jung-Fleischer, hat Landeswettbewerbe gewonnen und schaute hinterher zufrieden aus der Lokalzeitung von Fotos, die ihn mit Gummischürze und Würsten zeigen. „Handwerk bietet die größte Wertschöpfung und Regionalität“, sagt er. Gleichwohl muss Handwerk trommeln, um weiter stattzufinden bei der Jugend, die dann doch lieber studiert.
Aus dieser schwindenden Wertschätzung erwächst ein Unmut im Handwerks-Milieu, den die Parteien deutlich zu spüren bekommen. Der CDU bröckelt ihre Basis im ostsächsischen Mittelstand weg. Und das nicht erst, seit der Diplom-Wirtschaftsingenieur Michael Kretschmer seinen Görlitzer Bundestagswahlkreis an den Malermeister Tino Chrupalla verlor. Die CDU muss das Handwerk umwerben, dafür braucht sie authentische Köpfe wie Eichler – auch wenn der parteilos ist. „Tritt nie in eine Partei ein“, hat sein Opa gesagt, deshalb macht er es nicht.
Eichler hat große Visionen für seine kleine Stadt
Große Visionen für den Strukturwandel fallen ihm schwer. Rothenburg ist eine Kleinstadt mit typischen Kleinstadt-Bedürfnissen. Wie die Umgehungsstraße, die endlich kommen soll. Oder das Bauland, das langsam knapp wird. Die Oberschule, die in Nachbarschaft der Polizei-Hochschule ausgebaut werden soll. Und der alte NVA-Flugplatz, der als Gewerbegebiet mit denen der Nachbarschaft konkurrenzfähig sein muss. Für Eichler, der schon seit Jahren im Stadtrat sitzt, läuft das alles zu schleppend. Er will besseres Marketing für die Stadt und sichtbare Anreize für junge Leute, in Rothenburg zu bleiben. Und mehr Druck gegenüber Dresden, etwa für die Umgehungsstraße. „Da muss der Freistaat gewillt sein, dass beim Wirtschaftsministerium durchzubringen. Bisher gibt es nur die Bedarfsanalyse, das muss endlich weitergehen.“ Sagt Eichler.
Ansonsten hat Rothenburg im Angesicht der Strukturwandel-Millionen keine großen Sprünge vor. Das müsse man sich auch erstmal leisten können. „Das Rathaus braucht mehr Personal für den Strukturwandel. In der Verwaltung müssten sich permanent zwei Leute um Anträge kümmern.“ Nur so könne eine kleine Stadt die Chancen nutzen, die jetzt auf der Straße liegen, um ergriffen zu werden. Durchsetzen muss sich Eichler am Sonntag im ersten Wahlgang gegen den Kandidaten der Freien Wähler, Siegmund Hänchen, den AfD-Mann Marcel Block und dem Einzelbewerber David Kruse.

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