An seiner Universität in Linz ist Professor Sepp Hochreiter unglücklich. Jetzt muss Cottbus dem KI-Spitzenforscher nur noch mehr bieten als andere Hochschulen. Foto: Universität Linz

Cottbus wirbt um KI-Pionier Hochreiter

In Cottbus soll ein Institut mit Europas größtem Superrechner entstehen. Einen prominenten Namensgeber für das 500-Millionen-Projekt haben die Initiatoren in Österreich gefunden.

von Christine Keilholz

Sepp Hochreiter ist einer der namhaftesten Forscher in Künstlicher Intelligenz (KI) weltweit. Aber an seiner Universität im österreichischen Linz ist er nicht zufrieden. Nun macht ihm eine deutsche KI-Initiative ein traumhaftes Angebot. Ein „ideales und finanziell gut ausgestattetes Institut für Ihre richtungsweisenden KI-Forschungen“ könne der Informatik-Professor in Brandenburg haben – das überdies seinen Namen tragen soll. In einem offenen Brief trägt ihm der Verein „Zuse 3“ Millionen an Forschungsgeldern an, dazu enge Vernetzung mit der Wirtschaft und einen Superrechner, der europaweit seines Gleichen sucht. Entstehen soll das Dorado der Künstlichen Intelligenz in Cottbus. 

In ihrem Schreiben machen die Initiatoren deutlich, was sie sich von der Sache versprechen. Sollte dieses „Hochreiter Institute for Machine Learning“ Realität werden, dann würden die BTU Cottbus-Senftenberg und der Lausitz Science Park schlagartig weltweit bekannt werden. „Die KI-Forschung in Cottbus würde sofort in einer anderen Liga spielen“, schreiben sie. 

Bosch und Mercedes Benz zeigen Interesse an Cottbuser KI-Zentrum 

Die Planungen für ein solches Institut laufen bereits. Entstehen soll eine Groß-Einrichtung für 500 Millionen Euro, gefördert durch Mittel aus dem Strukturwandel von Bund und Land. Die treibende Kraft dahinter ist der Verein „Zuse 3“ in dem sich um die 100 namhafte Köpfe der Berlin-brandenburgischen Tech-Szene zusammengefunden haben. „Wir wollen verhindern, dass Deutschland und Europa technologisch abgehängt werden“, sagt Vereinsgründer Frank Riemann. Der Name verweist auf den Computer-Pionier Konrad Zuse, dessen Wiege in Hoyerswerda stand. 

Der offene Brief an Sepp Hochreiter ist seit wenigen Tagen in der Welt. Die Reaktionen seien überwältigend, sagt Riemann, der von Haus aus promovierter Physiker ist und als technologischer Berater für Unternehmen arbeitet. Große Player hätten bereits Interesse gezeigt, darunter Bosch und Mercedes Benz. Doch aus dem Cottbuser Rathaus sei noch keine Wortmeldung gekommen. 

KI auf Landesebene ist eher politischer Wunsch als Realität 

Das mag damit zu tun haben, dass Künstliche Intelligenz zwar eines der prestigeträchtigen und milliardenschweren Entwicklungsfelder europäischer Technologie-Politik ist – aber im Schatten von grünen Energien oder Wasserstoff steht. Es gilt noch, eine breite Bewegung in Gang zu bringen, damit sich die Lausitz als Mitstreiter im Wettbewerb der Regionen hervortun kann. Brandenburg und Sachsen haben jeweils eigene KI-Strategien formuliert – aber das sind eher politische Programme als ein Abbild der Realität. Hier wie dort geht es darum, Initiativen, Firmen und Verbände unter ein Dach zu holen, die mit KI Großes vorhaben. 

Um das Thema in der Lausitz zu verankern, haben Professoren der BTU ein „Lausitz Zentrum für Künstliche Intelligenz“ (LZKI) gegründet. Nun versprechen die KI-Enthusiasten vom Zuse-Verein das nötige Kapital. Dass sie mit ihrem Vorhaben auf Cottbus schielen, hat nicht nur den Grund, dass die Universität Potsdam und die Technische Hochschule Wildau beim Thema KI nicht schnell genug geschaltet haben, wie Riemann durchblicken lässt. Der schlagkräftigste Grund heißt Strukturwandel – und die vielen Nullen, die hinter Lausitzer Förderbeträgen stehen. Konkret gesagt: „Es gibt im Rahmen des Strukturstärkungsgesetztes die Möglichkeit, das in der Lausitz durchzufinanzieren.“ Überdies hat Brandenburgs Landesregierung immer ein offenes Ohr, wenn es darum geht, ein hochqualifiziertes und weltweit führendes Cluster in der Kohleregion zu installieren. 

Strukturwandel macht’s möglich: Europas schnellstes Rechenzentrum in Cottbus 

Die Chancen steigen, wenn ein namhafter Forscher für dieses Projekt steht. Mit Sepp Hochreiter sei man schon seit einem Jahr im Gespräch, sagt Frank Riemann. „Es gibt dem ganzen Vorhaben Auftrieb, wenn wir eine Koryphäe wie Sepp Hochreiter bekommen können. Er hat einen Namen mit Wohlklang in der internationalen KI-Szene.“ Der 55-jährige gebürtige Oberbayer gilt als Vater jener Algorithmen, die in Spracherkennungssystemen wie Siri genutzt werden. Wer ihn locken will, muss Großes bieten. Etwa ein Rechenzentrum, das mit den großen US-amerikanischen mithalten kann. „Es gibt in Deutschland kein Rechenzentrum, das große KI-Modelle bewältigen kann„, sagt Riemann. 

Dafür braucht man sogenannte GPU-Cluster. Das schnellste und größte Rechenzentrum in Deutschland steht in Tübingen und hat 850 GPU. Facebook hat ein KI-Rechzentrum mit 16.000 GPU, rechnet Riemann vor. „Das, was wir in Cottbus planen, wäre mit 4.800 GPU das schnellste in Europa.“ Entstehen soll eine Art Wissenschaftspark rund um KI mit angeschlossenem Gründungszentrum für KI-Startups – also insgesamt rund 10.000 Quadratmeter Denkfläche. 

Seine Bereitschaft zum Ortswechsel hat Hofreiter jüngst öffentlich geäußert. In einem viel gehörten KI-Podcast klagte er über Pläne der Universität Linz, sich von der Spitzentechnologie abzuwenden – und über die bescheidenen sieben Millionen Euro, die Österreich für seine KI-Strategie eingeplant habe. Seither bekommt er Offerten aus Tübingen und anderen deutschen KI-Standorten, die etwas auf sich halten. Mitte August soll in Cottbus ein Beauty Contest stattfinden, sagte Vereinssprecher Riemann der Neuen Lausitz. Dabei soll ermittelt werden, ob die Schönheit des Forschungsstandorts dem Spitzenforscher zusagt. 

Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 5. Juli 2022.

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