Als Industrieregion hat die Lausitz den Schutz der Umwelt lange als Wachstumshindernis betrachtet. Nun werden Wassermangel und brennende Wälder zum Hindernis für neue Industrien. Höchste Zeit, darüber zu sprechen.
Ein Kommentar von Christine Keilholz
In der Oder sterben die Fische zu Tausenden. Die Katastrophe, die deutsche und polnische Behörden nun gemeinsam aufklären wollen, spielt sich gefährlich nah an der Lausitz ab. Seit tonnenweise Fischkadaver auf der Oder schwimmen, fordern hiesige Politiker entschieden Aufklärung und Konsequenzen. Das ist richtig. Aber es fällt auf: Bei anderen Umweltkatastrophen ist die Entschiedenheit nicht so groß. Die Lausitz ist in besonderer Weise bedroht von Umweltschäden. Ein Jahrhundert Braunkohle-Abbau hat eine hoch belastete Landschaft hinterlassen. Neben den gigantischen Löchern der Tagebaue, sind ausgetrocknete Felder und abgesenktes Grundwasser als Hinterlassenschaften geblieben. Wertvolle Habitate sind unwiederbringlich verloren. Die künstlichen Welten, mit denen versucht wird, das Verlorene zurückzuholen, sind besonders anfällig für klimatische Schwankungen. Heide und Forste brennen in der Sommerhitze wie Zunder. Die wegen der Kohle umgeleiteten Flüsse können das Wasser nicht halten. Das alles ist bekannt – aber es wird nicht ernst genug genommen. Fataler Glaube, dass die Technik es schon lösen wird Das Fischsterben in der Oder geht allem Anschein nach auf ein Verbrechen zurück. Das heißt: Irgendjemand hat einen verheerenden Fehler begangen und versucht, ihn zu vertuschen. Oder: Jemand hat bewusst und vorsätzlich Umweltfrevel begangen. Das ist der Unterschied zu den anderen Miseren, mit denen die Lausitz zu kämpfen hat. Die werden noch immer als eine Art notwendiges Übel akzeptiert. Die dramatischen Folgen des Kohleabbaus gelten in der Lausitzer Öffentlichkeit als Nebenwirkungen dessen, was getan werden musste, um zu prosperieren. Damit einher geht der Glaube, dass die Probleme schon irgendwie gelöst werden können – nämlich durch Technologie. Dieser Gedanke hat Tradition. Der renommierte Historiker Joachim Radkau schreibt in seinem Standardwerk „Technik in Deutschland“, es herrschte schon früh ein „Dogma, der technische Fortschritt löse auf Dauer die Folgeprobleme von selbst, wenn er nur konsequent und intelligent vorangetrieben werde“. Das folgte der Logik: Rauchende Schornsteine stehen für Fortschritt und Wohlstand, blühende Landschaften dagegen für Rezession. Industrie sei tausendmal wichtiger als Flussfischerei. Keine offene Diskussion über das Wasserproblem Nehmen wir den Wassermangel, das einzige Umweltproblem, das es in der Lausitz zumindest ab und an auf die Tagesordnung schafft. Die drohende Versteppung weiter Teile Ostdeutschlands war nach den Dürresommern seit 2018 nicht mehr zu leugnen. In Politik und Öffentlichkeit führte das Betroffenheit – allerdings kaum zu Handlungen. Als die Grünen Anfang Juni zur Wasserkonferenz nach Cottbus eingeladen hatten, waren zwar alle wichtigen Behörden, Initiativen, Wirtschaftsvertreter da. Doch einige nutzten ihre Auftritte lediglich zur Imagepflege. Der Vertreter des Bergbau-Betreibers Leag spielte eine Präsentation ab. Was getan werden kann, um die Bergbau-Landschaft vor dem Vertrocknen zu bewahren, sagte er nicht. Stattdessen gab es Beruhigungspillen der Sorte „Wir haben das im Griff.“ Dass seit Jahren die Naturseen im Einzugsbereich des Tagebaus Jänschwalde Wasser verlieren, regt die Öffentlichkeit nicht sonderlich auf. Stattdessen verweigern sowohl die zuständigen Bergbehörden als auch die Leag eine offene Diskussion über die Ursachen. In der Öffentlichkeit obsiegt das Vertrauen, dass die Leag und ihr konzerneigenes Ingenieurskorps schon eine Lösung finden werden. Als in Grünheide angesichts der Tesla-Gigafabrik Bedenken wegen des Wassers laut wurden, konnte Elon Musk noch nobel darüber lachen. Sei doch genug Wasser da, sagte der Star-Investor medienwirksam – und kam damit durch. Träume von neuen Ansiedlungen können zerplatzen Anders wird das erst, wenn ein Umweltproblem anfängt, die Wirtschaft zu gefährden. In ihrer letzten Zusammenkunft widmete sich die Lausitz-Runde ausgiebig dem Thema Wassermangel. Der betrifft jede der Mitgliedskommunen. In Spremberg etwa stellt sich die Frage, wie viel Wasser für die vorhandene Industrie noch verfügbar ist, geschweige denn für Neuansiedlungen. Lauchhammer hat Probleme mit ansteigendem Grundwasser. In Großräschen könnten Millionen umsonst investiert worden sein, wenn der Bootssteg aus Wassermangel auf dem Trockenen endet. In Jänschwalde können die Träume vom grünen Industriegebiet GRAL schnell zerplatzen, wenn möglichen Investoren keine langfristige Wassersicherheit garantiert werden kann. Es zeigt sich: Natur und Umwelt werden nur als Wirtschaftsfaktor wirklich ernstgenommen. Die Menschen haben sich an die umgekrempelte Landschaft gewöhnt und nehmen deren offene Wunden zu leicht hin. Das muss sich dringend ändern. |
Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 16. August 2022.

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