Der Mittelstand macht die Energiewende

Sebastian Kießling verkauft von Cottbus aus grüne Energieanlagen in die ganze Welt. Wenn die Lausitz Energieregion bleiben will, muss die Politik kleinen Unternehmen mehr Aufmerksamkeit schenken, argumentiert er im Gastkommentar.

Gastkommentar von Sebastian Kießling

Auf unzähligen Konferenzen zur Energiewende sind mein Team und ich in den vergangenen Jahren gewesen. Fachpublikum und Fachpresse waren dort immer einig: Deutschlands Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist nicht nur ineffizient, sondern auch fahrlässig. Gerade dann, wenn man einen wichtigen heimischen Energieträger weiterhin ignoriert: Holz in Form von Hackschnitzeln oder Schadholz. 

Seit dem Frühjahr dieses Jahres ist zum Fachpublikum die breite Masse hinzugekommen. Wirtschaftsvertreter, Bürgerinnen und Bürger, Metallbauer oder Bäckerinnen haben das gleiche Problem. Sie sorgen sich wegen des steigenden Energiebedarfs bei gleichzeitig explodierenden Energiepreisen. Gas, Kohle und Öl sind keine sicheren Energieträger mehr. Immer wieder wird die Frage laut nach neuen Technologien, die Abhängigkeiten aufbrechen und neue Energiesicherheit schaffen können. Dabei gibt es diese Technologien bereits. Hier in der Lausitz. 

Wir machen die Energiewirtschaft demokratisch

Wenn von Wirtschaft in der Lausitz die Rede ist, dann meist von den großen Industriebetrieben Leag und BASF. Wenn es um Spitzentechnologien in der Lausitz geht, dann um Wasserstoff, Windenergie oder Photovoltaik. Aber das ist nur die Oberfläche. Darunter passiert viel im Lausitzer Mittelstand, das in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird. Unser Unternehmen B+K ist ein kleiner Player der Energiegewinnung. Wir setzen auf Holz und Biomasse. 

Seit zehn Jahren entwickeln und vermarkten wir ein Blockheizkraftwerk namens ClinX. Das Herzstück unserer Energiewandler, die extern befeuerte Mikrogasturbine, funktioniert mit Kraft-Wärme-Kopplung und verbrennt erneuerbare Biomasse. Das heißt: Wir gewinnen Wärme und Strom aus Holzabfällen an jedem denkbaren Ort. Damit schaffen wir eine grüne Kreislaufwirtschaft für unsere Kunden – und zugleich machen wir die Energiewirtschaft demokratisch. Jeder kann zum Stromproduzenten werden. Das bricht alte Monopole auf und lässt auch kleinere Betriebe die Energiewende mitgestalten. 

Viele kleine Lausitzer Firmen sind weltweit unterwegs

Unser Blockheizkraftwerk steht bereits in zahlreichen mittelständischen Betrieben. Überall da, wo energiebewusste Unternehmen ihren Beitrag für das Klima leisten wollen. Kurzum: Wir tun das, was sich die Lausitz auf die Fahnen geschrieben hat. Wir entwickeln neue Technologien für die grüne Zukunft. 

Wir sind mit 30 Beschäftigten ein kleines Cottbuser Unternehmen, aber werden international wahrgenommen. Wir arbeiten mit Partnern aus der Schweiz oder Slowenien, aber auch aus den USA oder Australien. Wir tragen schon längst ein Bild von der Lausitz nach außen, das die Politik mit viel Marketing zu erzeugen versucht. Bei Entwicklung und Produkten sehen wir positive Tendenzen für uns. Aber wir sehen auch Probleme, die unsere Entwicklung hemmen. Dahingehend wünschen wir uns einen noch stärkeren Schulterschluss mit allen regionalen, wirtschaftlichen sowie politischen Akteuren. 

Als Startup im Schatten der Leag stetig gewachsen

Als Mittelständler ist es für uns nicht leicht, neben den großen Playern der Region wahrgenommen zu werden. Wer im Schatten von Leag und Bahn als Cottbuser Unternehmen um Fachkräfte wirbt, muss sich etwas einfallen lassen. Das Narrativ, dass in der Lausitz nur die großen Industriebetriebe anständige Löhne zahlen, ist leider weit verbreitet. Wir setzen daher bei Gesprächen mit Bewerbern auf individuelle Angebote nach dem Motto „Alles kann verhandelt werden“. Somit haben wir eine Möglichkeit, mit Manteltarifverträgen oder 14 Monatsgehältern mitzuhalten, die die Großen bieten. Mit Erfolg: Wir sind natürlich stolz, dass wir im Juni den Preis der Stadt Cottbus als „Attraktiver Arbeitgeber der Stadt Cottbus 2022“ gewinnen konnten. 


Außerdem belasten uns die langen Genehmigungsverfahren. Wenn ein Kunde bei uns bestellt, dauert es momentan zwei Jahre, bis er seine Anlage nutzen kann. Das wollen wir auf ein Jahr senken. Nicht nur aus Interesse am Gewinn, sondern auch um den Kampf gegen den Klimawandel endlich Taten folgen zu lassen und öffentliche Verwaltungen, Wohnungsbauprojekte oder Industriebetriebe energieautark zu machen. Ich denke, auch hier können Prozesse digitalisiert oder vereinfacht werden. 

Fachkräftemangel lässt sich nur im Verbund lösen

Im Frühjahr hat die Leag die Weiterbildungsinitiative „Qualifizierungsverbund Lausitz Erneuerbaren Energien“ (QLEE) ins Leben gerufen, um die Fachkräfte der Lausitzer Energiewirtschaft fit für das CO2-freie Zeitalter zu machen. Unser Unternehmen gehört dem Verbund an. Ich denke, diese Initiative ist ein Schritt in die richtige Richtung. Als Lausitzer freue ich mich, dass das Braunkohle-Unternehmen Leag endlich die Erneuerbaren forciert. Und dass der größte Arbeitgeber der Region auf diese Weise auch etwas für uns Mittelständler tut. Denn wir tragen mehr zum Image der Lausitz als Energieregion bei als uns bisher zugetraut wird. 

Für mich als geschäftsführender Gesellschafter und somit Existenzgeber für 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ganz klar: Die Erneuerbaren Energien bieten die einmalige Gelegenheit, die Lausitz zu einer der führenden Energieregionen in Deutschland zu machen. Wir sind stolz und dankbar, ein Teil dieses Netzwerks zu sein. Wirtschaft und Politik müssen gleichermaßen Interesse haben, grüne Technologien schneller zu entwickeln und Probleme wie den Fachkräftemangel im Verbund zu lösen. Als Region profitieren wir nur gemeinsam nachhaltig. Das müssen wir auch. Alle anderen Regionen in Deutschland und im Ausland haben nicht weniger auf ihrer Agenda. 

Sebastian Kießling, 39, ist Mitbegründer und geschäftsführender Gesellschafter des Cottbuser Energieanlagen-Herstellers Professor Dr. Berg & Kießling GmbH. Der gebürtige Zittauer verantwortete neben seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der BTU Cottbus-Senftenberg die erste deutsche Mikrogasturbinenentwicklung in der Leistungsklasse 100 Kilowatt elektrisch und erforschte früh die energetische Ausnutzung von bisher nicht verwerteten Energieträgern.