Der Chemieriese und EnviaM errichten in Schwarzheide eine gigantische Solaranlage. Die 52.000 Module bringen Energiegarantie in unsicheren Zeiten. Bemerkenswert ist, wer nicht dabei sein kann.
von Christine Keilholz
Das größte Flächenkraftwerk Brandenburgs steht in Schwarzheide. Gleich hinter dem Kreisverkehr blinzeln auf 24 Hektar Fläche 52.000 Photovoltaik-Module in der Sonne. Mit dem hier gewonnenen Strom kann der zweitgrößte Industriebetrieb der Lausitz zehn Prozent seines Bedarfs decken. BASF in Schwarzheide ist nicht nur Nutznießer, sondern zugleich Bauherr des riesigen Solarparks. Es entsteht Strom, der weder aus Braunkohle erzeugt wird noch aus Erdgas, das aus Russland importiert werden muss. Keine fragwürdige Brückentechnologie wird gebraucht. Der Strom fließt direkt von hier in das nahe gelegene Chemiewerk.
Insofern ist das die Energiewende, wie sie im Idealfall funktionieren soll. „Der Solarpark in Schwarzheide zeigt, dass Strom aus PV-Freiflächenanlagen wettbewerbsfähig geworden ist“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bei der feierlichen Eröffnung am vergangenen Donnerstag. In Schwarzheide konnte innerhalb von neun Monaten eine Anlage für erneuerbare Energien betriebsbereit aufgestellt werden. Und das mitten in einer Energiekrise und bei Rohstoffknappheit. Dass das geklappt hat, lag nicht nur daran, dass sich hier zwei Giganten der Lausitzer Wirtschaft zusammengefunden haben. Es war auch ein planerischer Glücksfall.
Gegen die Oligopole der Stromerzeugung
Der Solarpark ist eine Kooperation von BASF und der Envia Mitteldeutsche Energie AG (EnviaM). Der Chemieriese und der Energieversorger haben ein Joint Venture gegründet, die „BASF enviaM Solarpark Schwarzheide GmbH“, um das Vorhaben umzusetzen. Dafür mussten die Kartellbehörden zustimmen. Der Solarpark ist das Ergebnis und die Krönung eines sogenannten Zukunftsbündnisses, das beide Unternehmen 2019 zusammen mit anderen geschlossen haben – als noch keine Energiekrise zu erwarten war. Da setzten beim Thema Energiewende noch alle Akteure auf Gas.
Die Gründungsparty fand ohne einen Player in der Lausitz statt, der sonst fast immer ein Wörtchen mitzureden hat: das Bergbau-Unternehmen Leag. Der Platzhirsch der Energieproduktion der Lausitz ist am größten Flächenkraftwerk nicht beteiligt. Vertreter der Leag waren zwar eingeladen ins Festzelt am Solarpark, kamen allerdings nicht. An den Stehtischen war dazu zu hören, man sei nicht miteinander ins Geschäft gekommen.
Umso besser für Stephan Lowis. „Für uns ist das ein absolutes Referenz-Projekt“, sagte der Vorstandsvorsitzende der EnviaM, die den Zuschlag für das Projekt von der BASF bekommen hatte. Es gehe hier auch um die Diversifizierung des Energiemarkts. „Wir dürfen nicht vergessen“, sagte Lowis, „wir kommen aus uralten Verhältnissen, die in der Stromerzeugung monopolistisch und oligopolistisch geprägt sind.“ Das müsse sich ändern, auch dafür stehen die 52.000 Solarmodule von Schwarzheide.
Sonnenenergie treibt die Batterieherstellung an
Rund 13 Millionen Euro haben die beteiligten Unternehmen für den Solarpark und das dazugehörige Umspannwerk investiert. Das Projekt wird ohne öffentliche Förderung umgesetzt. Der Großteil der 24 Megawatt Leistung wird über einen langfristigen Stromliefervertrag an das BASF-Werk geliefert. Die Planung oblag der EnviaM-Tochter „Envia Therm“, der es gelang „in neun Monaten einen schlüsselfertigen und anschlussfertigen Park fertigbekommen“, wie BASF-Aufsichtsratschef Uwe Liebelt in seiner Videobotschaften zufrieden feststellte.
Die chemische Industrie hatte als erste Alarm geschlagen, als die Gaslieferungen aus Russland infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine in Frage standen. Da gibt ein Solarpark auf eigenem Gelände ein kleines Stück Sicherheit. BASF mit seinen 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Schwarzheide sei „an vielen Stellen ein Pacemaker“, lobte Minister Steinbach, der freilich öfter in Schwarzheide Halt macht, um für die Aktivitäten des Unternehmens im Dienste des Strukturwandels zu werben.
Der ehemalige VEB Synthesewerk, der seit 1990 zur BASF-Gruppe gehört, arbeitet an der Entwicklung von Recycling-Batterien. Die Anlage zur Herstellung von Kathodenmaterialien für die Batterieproduktion soll zuforderst vom Solarstrom profitieren. „Der Solarpark wird dabei einen Teil des Energiebedarfs der künftigen Produktionslinien decken können“, sagte Jürgen Fuchs, Vorsitzender der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide.
Brandenburgs Solarplan ist bereits übererfüllt
Das Areal hinter dem Outlet-Center gehört der BASF und ist seit 15 Jahren für eine Bebauung vorgesehen. Das machte nicht nur das Bauen schneller, sondern ersparte auch den langen Weg durch die Genehmigungsinstanzen. Widerstand gegen das 35 Fußballfelder große Solarfeld sei nicht laut geworden in der Stadt, sagte Bürgermeister Christoph Schmidt der Neuen Lausitz. „Industrie ist das Herz unserer Stadt. Die Anwohner wussten immer, dass an dieser Stelle etwas entstehen wird.“ Einzige Bedingung der Anwohner war demnach, dass zur Straße hin Büsche gepflanzt werden sollen. Das werde man bei nächster Gelegenheit tun, sicherte der Bürgermeister zu.
Brandenburg hat sich an den Anblick von Solaranlagen gewöhnt. Von allen erneuerbaren Energien ist Solar diejenige, die in Brandenburg am schnellsten wächst. „Photovoltaik ist der einzige Parameter aus Brandenburgs Energiestrategie, der übererfüllt werden konnte“, sagte Minister Steinbach. Mit der Energiestrategie 2030 strebt Brandenburg eine installierte elektrische Leistung von 3.500 Megawatt aus Photovoltaik an. Im Jahr 2021 wurden bereits 4.600 Megawatt erreicht. Mit dieser Menge könnte man rechnerisch mehr als 1 Million Durchschnittshaushalte versorgen.
Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 30. August 2022.

Sie wollen mehr?
Dann testen Sie das Neue Lausitz Briefing 4 Wochen kostenlos. Sie erhalten
+ alle aktuellen Beiträge dienstags, 6 Uhr, in Ihrem E-Mail-Postfach
+ tiefgründige Recherche zu den Kernthemen der regionalen Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur
+ kritische Analysen, Hintergründe und Zusammenhänge
+ Meinungsbeiträge von namhaften Kommentatorinnen und Kommentatoren
Hier sind Sie richtig.
Die Neue Lausitz ist das unabhängige Medium für Kohleausstieg und Strukturwandel.

Wir haben die News, Hintergründe und Analysen aus der dynamischsten Region Deutschlands.