Jugendbeteiligung ist zu einem Qualitätsfaktor im Strukturwandel geworden. Doch der Dialog mit den Teenagern kommt nicht recht in Gang. Dabei könnte es so einfach sein, schreibt die Schülerin Lena Schmelig im Gastkommentar.
von Lena Schmelig
Die Jugend ist der Teil der Gesellschaft, der von den größten Zukunftsfragen in unserer Lausitz am meisten betroffen ist. Doch Teenager fühlen sich vom Strukturwandel nicht ausreichend mitgenommen. Die Möglichkeiten zur Partizipation sprechen uns nicht wirklich an. Dieses Problem ist längst bekannt. Aber auf Lösungen sind die Gestalterinnen und Gestalter des Strukturwandels bei Bund, Land und Kommunen noch nicht gekommen. Hätten sie mal diejenigen gefragt, die es betrifft. Nämlich uns Jugendliche.
Es gibt bereits wenige, aber dennoch gute Ansätze, junge Menschen besser zu beteiligen. Die Zukunftswerkstätten gehören dazu. Hierbei sollen sich Schülerinnen und Schüler Gedanken über Probleme in ihrer Kommune machen und nach Lösungen für suchen. Doch in diesen Projekten ist im Schulalltag die Zeit zu knapp, um bis zu den Lösungen vorzudringen. Auch Jugendstadträte sind eine gute Möglichkeit, um demokratisches Verhalten einzuüben. Da werden schon Zwölfjährige angeregt, sich mehr mit der Zukunft der Region auseinanderzusetzen, sich mit Handel, Landwirtschaft und Konsum zu befassen und Ideen zu entwickeln, wie alles besser funktionieren kann.
Solche Ansätze sind toll und ich möchte sie natürlich würdigen. Aber für eine effektive Jugendbeteiligung reicht das nicht. Wir wollen dauerhaft nach unseren Vorstellungen gefragt werden. Und wir wollen, dass aus unseren Ideen auch etwas wird. Denn beim Jugendstadtrat und bei den Zukunftswerkstätten fragen wir uns, ob unsere Vorschläge jemals die Chance auf Realisierung haben.
Jugendliche fühlen sich politisch machtlos – dagegen gibt es ein Mittel
Ständig heißt es, meine Generation hätte keine Lust, sich am Strukturwandel zu beteiligen. Genau diese Unterstellung führt dazu, dass nicht genügend Partizipationsmöglichkeiten geschaffen werden, die uns ansprechen. Die entscheidenden Personen in Politik und Verwaltung sollten nicht länger grübeln: „Wollen Jugendliche überhaupt am Strukturwandel beteiligt sein?“ Sie sollten sich besser fragen: „Wie können wir die Jugend für den Strukturwandel begeistern?“ Schließlich sind wir die Generation, die eine Perspektive in der Lausitz benötigt, aber gleichzeitig auch die, über die so oft hinweg entschieden wird.
Wir Jugendliche wünschen uns Maßnahmen, die langfristig unser Interesse wecken. Damit meine ich vor allem demokratische, die uns nachhaltig an politischen Themen mitwirken lassen, die so unseren Willen für die Zukunft unserer Region widerspiegeln und vor allem Erfolge verzeichnen. Dafür würden sich Förderungen von Jugendverbänden oder auch Schulprojekten, die den Strukturwandel thematisieren, anbieten.
Unter Schülerinnen und Schülern muss das Bewusstsein dafür entstehen, durch Engagement etwas verändern zu können. In Gesprächen mit Freundinnen und Freunden stelle ich oft fest: Viele fühlen sich politisch machtlos. Wenn ich frage, woran das liegt, bekomme ich dann zu hören: „Über Politik mache ich mir doch jetzt noch keine Gedanken, ich kann doch sowieso noch nicht wählen!“ Gegen diese Art von Ohnmachtsgefühl lässt sich etwas tun: Man kann das Wahlalter senken. Wer wählen kann, hat eine Stimme und die Berechtigung für eine verantwortliche Entscheidung. Das sensibilisiert für Themen und weckt auch Interesse an komplexen und kontroversen Fragen. Laut einer Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung haben zwei Drittel der 14- bis 24-Jährigen in Deutschland den Eindruck, die Politik nicht beeinflussen zu können. Das muss sich ändern!
Wer sich für Klimapolitik interessiert, ist auch für Strukturwandel zu haben
Kohleausstieg interessiert uns Jugendliche sehr. Kein anderes Thema hat in den vergangenen Jahren junge Leute so mobilisiert wie die Sorge ums Klima. Auch für diejenigen, die nicht bei „Fridays for Future“ aktiv sind, sorgen sich um den Planeten. Strukturwandel interessiert uns dann, wenn er mit unserer Lebensrealität zu tun hat.
Junge Menschen verbringen im Schnitt drei Stunden am Tag auf Instagram, YouTube oder TikTok. Soziale Netzwerke bringen uns in Kontakt mit Rollenvorbildern. Wir benötigen engagierte Menschen, mit denen wir uns identifizieren können und die uns vorleben, politisch aktiv zu sein. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen wünscht sich mehr Präsenz von Politikerinnen und Politikern in den sozialen Medien. Dort können wir mit ihnen in Kontakt treten, was wiederum auch uns den Weg ins Engagement erleichtern kann.
Uns jungen Lausitzerinnen und Lausitzern muss eine echte Perspektive geschaffen werden, für die es sich lohnt, am Strukturwandel mitzuarbeiten. Uns muss die Sorge genommen werden, dass gut bezahlte Arbeitsplätze fehlen oder dass wir uns ohne Auto nicht in der Lausitz bewegen können. Genau solche Sorgen geben uns aktuell das Gefühl, dass wir vor Problemen stehen, bei denen wir durch Eigeninitiative kaum etwas erreichen können. Nachhaltige Berufsangebote und guter Nahverkehr sind Perspektiven, für die es sich in unseren Augen lohnt, Engagement zu zeigen. Wenn solche Grundlagen gegeben sind, dann wird sich auch die Jugend für eine erfolgreiche Beteiligung am Strukturwandel interessieren.