Auch für Städte gilt: Wer sich nicht wandelt, wird gewandelt. Stadtplaner Lucas Opitz fordert für die Städte der Lausitz neue Strategien. Cottbus hat es am nötigsten.
Gastkommentar von Lucas Opitz
Ein neuer Oberbürgermeister zieht zurzeit ins Rathaus von Cottbus ein. Er hat es mit einer anderen Stadt zu tun als sein Vorgänger zu Beginn von dessen Amtszeit vor acht Jahren. Vor den Toren der Stadt entsteht ein See namens Ostsee. Ein Flugplatz macht sein Ding vom Technologie- und Industriepark zum Wolfshabitat und jetzt vielleicht zum Lausitz Science Park, sofern die kühnen Träume der BTU Cottbus-Senftenberg wahr werden. Eine Uniklinik soll es auch bald geben. Ein gigantisches Bahnwerk zeigt bereits sein Gerippe. Im Branitzer Park soll eine Baumschule entstehen. Die Zeit sich zu überlegen, was Cottbus in Zukunft sein will, scheint zu fehlen.
Cottbus ist das Hauptstädtchen des Strukturwandels. Es tut sich viel, das hat sich herumgesprochen. Wobei nicht immer klar ist, wer etwas tut und warum. Cottbus, so scheint es im Moment, ist eine Stadt, die den Wandel mit sich machen lässt. Eine eigene Gesamtstrategie ist schwer erkennbar. Das ist kein Zustand. Wichtige Dinge sollten sich ändern. Ich denke, drei Punkte sind hierfür wichtig.
- So wie es bisher war, wird es nicht mehr. Wir müssen uns etwas anderes überlegen.
- Vergesst die Fördermittel! Wer nur dem Geld hinterherläuft, verliert den Groove.
- Baut keine Häuser, die kein Mensch braucht.
Management von Bestehendem ist anspruchsvoller als Neubau
Nummer 1: Mit dem Strukturwandel ändern sich einige grundlegende Rahmenbedingungen für die Lausitzer Städte und Gemeinden. Nicht ändern wird sich, dass wir uns in einem strukturschwachen ländlichen Raum befinden. Das ist auch okay, solange man nicht so tut, als würden morgen hunderte junge Familien hierherziehen und Häuser bauen wollen. Es bringt wenig, zu sagen: „Cottbus war immer eine Industriestadt und soll auch eine bleiben!“ Die Welt hat sich gewandelt. Wir werden mobiler, älter und tendenziell weniger. Unsere europäische Stadt steht vor enormen Herausforderungen und mehr ist nicht immer auch besser.
Die Bevölkerungsprognose für das Land Brandenburg sagt für Cottbus bis zum Jahr 2030 ein Bevölkerungszuwachs von 1,2 Prozent aus – das sind 1.200 Personen. Solche Prognosen wollen Sicherheit suggerieren. Aber die gibt es nicht. Die Botschaft lautet: „Keine Sorge, so wie es war, wird es bleiben. Auch im stetigen Wandel.“
Wer von falschen Annahmen ausgeht, läuft Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen, zumindest wenn das Glück fehlt. Klüger wäre es zu überlegen, was man wirklich braucht und was entwickelt werden sollte. Es war noch nie ratsam, den nächstbesten Acker mit Eigenheimen oder Gewerbehallen zuzubauen. Besser sollte man die vorhandenen Quartiere und Gebäude mit neuem Leben füllen. Der Haken daran? Das Management bestehender Strukturen ist anspruchsvoller als Neuentwicklungen. Aber ich bin mir sicher, ein paar kluge Köpfe in der Lausitz sind der Aufgabe gewachsen.
Im Kollektiv Stadtsucht erstellen wir unter anderem integrierte Stadtentwicklungskonzepte und beschäftigen uns mit komplexen räumlichen Fragen. Grob gesagt, ermitteln wir, was gebraucht wird und wo es hin soll. Dafür bauen wir auf kollektives Wissen durch eine breite Beteiligung. Die Analyse ist unser wichtigstes Handwerkszeug. Je komplexer, desto besser die Entscheidungsgrundlage und das braucht Zeit. Bald hat die Braunkohle ausgedient. Gut so. Schauen wir uns demütig an, welche Ewigkeitsaufgabe wir unseren Kindern damit hinterlassen haben. Und hören wir auf, alles so machen zu wollen, wie es unsere Urahnen schon getan haben. Lassen wir uns was Neues einfallen.
Auch mal Strukturen abschaffen, die nicht funktionieren
Nummer 2: Stadtentwicklung darf nicht bedeuten, alles zu bauen, was gefördert wird. Fördermittel sind gut und wichtig für die Kommunen. Aber sie können auch ein Virus sein. Wir müssen weg von dieser durch Fördermittel getriebenen Alles-Bauen-Was-Geht-Politik. Leider scheint auch der Strukturwandel dieser Logik zu folgen: „Kriege ich die Straße mit diesem Förderprogramm?“ Das ist oft genug die Frage, die über allem steht. Danach verbietet es sich schon fast, offen zu erörtern, ob etwas wirklich gebraucht wird.
Ich hoffe inständig in diesem Punkt falsch zu liegen, sehe aber auch die brach liegenden Gewerbegebiete der 1990er Jahre. Vielleicht sollten wir nicht Strukturen stärken oder wandeln, sondern auch mit der ein oder anderen brechen. Damit wären wir bei Nummer 3: Hört auf damit!
In vielen Rathäusern gilt das Bauen als ein Wert an sich. Wer baut, gibt ein öffentlich sichtbares Zeugnis seiner Existenz ab. Nach dem Motto: „Schaut, ich habe den höchsten Turm gebaut“. Eine Stadt, die baut, erhebt Anspruch auf Zukunft. Ich kann aber jeder Kommune nur empfehlen: Kauft Boden und behaltet ihn! Stadtentwicklung ist Bodenpolitik. Was ihr habt, könnt ihr gestalten. Was ihr nicht habt, gestalten andere. Was andere haben, aber nicht gestalten, das holt euch zurück. Nebenbei: Im Paragraph 87 des Baugesetzbuchs stehen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung. Davon kann man im Notfall Gebrauch machen.
Lasst Bäume wachsen auf der Brache
In Cottbus klafft ein hässliches Loch an zentraler Stelle. Der Streit um die Brache an der Stadtpromenade wird regelmäßig sehr heftig geführt. Ich vermute, fast allen Menschen in der Stadt fällt dazu etwas ein. Eine Traumfabrik hat im letzten Jahr zuhauf Ideen produziert, was dort sein kann. Sogar die Oberbürgermeisterkandidaten haben sich im Wahlkampffinale als Traumfabrikanten betätigt.
Für uns vorstellbar ist es, dass die Brache vielleicht einfach ein Stück Stadt ist, das keinen Zweck erfüllt. Wenn es ein Leerraum ist, der auch so gedacht wird, dann soll es ein schöner Leerraum sein. Lasst uns einen Park gestalten! Eine Stadt, die so grün ist wie Cottbus, kann noch mehr Grün vertragen. Lassen wir Bäume wachsen und verbinden es mit positiver Aktivität. Wir trommeln alle unsere Freunde zusammen und die, die es werden wollen, und machen ein großes Abenteuerspiel daraus. Für alle. Ein Park ist ein Renditeobjekt ganz nach meinen Vorstellungen und lohnt sich nicht nur für den Einzelnen. Gab es da nicht die Überlegungen für eine Bundesgartenschau in Cottbus?
Damit zurück zum Strukturwandel: Wir legen den Entscheiderinnen und Entscheidern ans Herz, sich prioritär um das kümmern, was sich nicht um sich selber kümmern kann und was die Rahmenbedingungen für alles andere schafft: Soziales und Umwelt. Behaltet die Menschen im Blick. Was bringt der schönste Palast, wenn die, die darin arbeiten, keine Lebensgrundlagen haben.
Lucas Opitz, Jahrgang 1988, stammt aus Jena. In Cottbus hat er Stadt- und Regionalplanung und an der Estnischen Kunstakademie Urban Studies studiert. 2015 war er Mitgründer des Planungs- und Projektbüros „Kollektiv Stadtsucht“. Seitdem arbeitet er dort an integrierten Stadt- und Standortentwicklungskonzepten, informellen Beteiligungsprozessen, Bauleit-, Flächennutzungs-, Regional- und Masterplänen sowie städtebaulichen Studien. Seine Projektgebiete befinden sich hauptsächlich in der Lausitz: Zittau, Guben, Doberlug-Kirchhain, Weißwasser, Senftenberg, Lauta oder Cottbus.
Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 06. Dezember 2022.

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