Die Milliarden aus dem Strukturwandel sollen eine umweltfreundliche Entwicklung in den Transformationsregionen forcieren. Doch das nutzt Brandenburg viel zu wenig. Nachhaltigkeit spielt bei der Auswahl von Projekten kaum eine Rolle, bemängelt der Volkswirt David Löw-Beer im Gastkommentar.
von David Löw-Beer
Nachhaltigkeit birgt erhebliche Chancen für eine zukunftsfähige Lausitz. Wie auch in anderen Regionen liegen in Zukunftstechnologien große wirtschaftliche Potenziale, seien es erneuerbare Energien, Batterietechniken oder ökologische Wärmeerzeugung sowie Kostensenkungen durch einen niedrigeren Energieverbrauch. Für die Lausitz geht es insbesondere um das knapper werdende Wasser, die vielfach belasteten Böden und – ganz allgemein – um eine lebenswerte und zukunftsfähige Region.
Die Bedingungen für nachhaltige Projekte sind äußert günstig. Vom Bund gibt es nicht nur erhebliche Fördermittel, sondern diese sind auch mit einem vergleichsweise einfachen Antragsverfahren und sehr hohen Förderquoten von bis zu 90 Prozent der Kosten verbunden. Um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, schreibt das Investitionsgesetz vor, dass sich Investitionen an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie orientieren müssen. Das Lausitzprogramm 2038 verlangt zusätzlich eine Orientierung an der Brandenburger Nachhaltigkeitsstrategie. Antragstellende für Projekte in der Hauptverantwortung von Brandenburg müssen prüfen, wie sich ihre Projekte auf die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen auswirken. Für zwei dieser Ziele muss das jeweilige Projekt einen positiven Beitrag leisten – eines davon muss ein ökologisches Entwicklungsziel sein.
Chancen werden noch nicht konsequent genutzt
Doch das Ergebnis fällt bislang höchst unterschiedlich aus. Wir vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit haben die Nachhaltigkeitserklärungen untersucht. In einigen wenigen finden sich detaillierte Angaben, wie die Projekte konkret zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Meist sind die Ausführungen jedoch allgemein. Am häufigsten wird auf den Punkt menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum verwiesen, was in Brandenburg als „stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum“ konkretisiert wird. Zur wirtschaftlichen Entwicklung müssen die Projekte aber ohnehin einen positiven Beitrag leisten, ganz unabhängig von den Nachhaltigkeitszielen.
Bislang werden die Strukturwandelprojekte in der Lausitz nicht systematisch auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht, so dass nur eine vorsichtige Bilanz gezogen werden kann. Aussagen über die Auswirkungen auf Themen wie Boden- oder Wasserqualität sind so kaum möglich. Die geringen Auflagen des Landes Brandenburg dürften bislang kaum dazu beigetragen haben, dass die Projekte einen hohen Nachhaltigkeitsanspruch verfolgen. Das ist bedauerlich, denn gerade die hohen Förderquoten würden es bereits jetzt ermöglichen, ambitionierte Investitionen in Nachhaltigkeit zu vertretbaren Kosten umzusetzen. Etwa Häuser deutlich besser zu dämmen, als dies ohnehin aufgrund bestehender Gesetze gemacht werden muss.
Drei Vorschläge für klimafreundlichen Strukturwandel
Brandenburg (wie im Übrigen ebenso Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen) bleibt mit seinen Auflagen weit hinter dem zurück, was etwa die EU von den Mitgliedsländern für Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds verlangt. Das sollte so nicht bleiben. Dafür machen wir drei Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit im Strukturwandel.
Erstens sollte das Land ein Nachhaltigkeitsmonitoring etablieren. Damit ließe sich beurteilen, welchen Beitrag der Strukturwandel zu einer nachhaltigen Entwicklung leistet. Insbesondere könnte mit einem Monitoring der modellhafte Charakter des Strukturwandels herausgestellt oder bei Defiziten nachgesteuert werden. Das Monitoring sollte unbürokratisch die für die Lausitz wichtigsten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Elemente von Nachhaltigkeit abdecken. Um den Aufwand für Antragsstellende gering zu halten, sollten etablierte Bewertungsschemata genutzt werden und möglichst auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden.
Zweitens muss Nachhaltigkeit besser gefördert werden. Projekte mit einem großen Beitrag für die Umwelt sollten stärker gefördert werden als solche, die nur einen geringen Beitrag leisten. Bislang vernachlässigte Themen des Strukturwandels sollten gezielt gefördert werden. Beispielsweise gibt es bislang keine Projekte der Naturschutz- und Landschaftspflege. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass sie sich insgesamt positiv auf die Nachhaltigkeitsziele auswirken. Dafür sollten die Projekte belegen, dass sie keine gravierend negativen Folgen für eines der 17 Entwicklungsziele haben. Entstehen negative Auswirkungen, müssen diese zumindest benannt (und einkalkuliert), im Idealfalle kompensiert werden.
Drittens brauchen die Antragsteller mehr Beratung. Denn sie wissen oft nicht, welche Möglichkeiten für einen ambitionierten Beitrag zur Nachhaltigkeit existieren. Die Projektberatung, wie sie derzeit von der Wirtschaftsregion Lausitz und teilweise dem Umweltministerium geleistet wird, sollte deshalb ausgeweitet werden. Wer ein Strukturwandelprojekt einbringen möchte, sollte Checklisten und Vorlagen erhalten, die dabei unterstützen, im jeweiligen Themenfeld die passenden Maßnahmen zu ergreifen.

David Löw Beer, 40, ist Sprecher des Bereichs Demokratie und Nachhaltigkeit am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) in Potsdam. Dort leitet der promovierte Wirtschaftswissenschaftler aus Frankfurt/Main die Gruppe Regionale Nachhaltigkeitstransformationen. Als Ökonom und Bildungswissenschaftler forscht und berät er zu Nachhaltigkeitsgovernance, Beteiligung und Jugendbeteiligung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung im Strukturwandel.
Dies ist ein Beitrag aus dem Neue Lausitz Briefing vom 07. März 2023.

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