„Wir dürfen keine Konzepte von anderen kopieren“

Juliane Noack Napoles soll für die BTU in Senftenberg eine Grundschullehrer-Ausbildung aufbauen. Die Erziehungswissenschaftlerin will die Chance nutzen, den Lehrerberuf neu zu erfinden.

Frau Noack Napoles, was wird das Besondere an der Grundschullehrer-Ausbildung in Senftenberg sein? 
Bei uns sitzt man nicht in Vorlesungen, in denen über alternative Lernformate geredet wird. Wir wollen die Studierenden in neue Lernformate unmittelbar hineinwachsen lassen. Dazu gehört doch ganz wesentlich, dass ich als Studentin schon die Inhalte ansprechend und motivierend vermittelt bekomme, damit ich sie dann selbst als Lehrerin auch Neugier fördernd und kindgerecht vermitteln kann.

Was heißt das konkret?
Das heißt, wir brauchen nicht notwendigerweise eine Vorlesung „Einführung in die Mathematik“ mit Übung dazu. Dafür bieten sich auch alternative Lehr-Lern-Formate an, in denen unsere Studierenden sich unter Anleitung Inhalte selbst erarbeiten. Sonst machen sie später im Unterricht das, was sie in der Schule selbst erfahren und an der Uni bestätigt bekommen haben, und alles bleibt beim Alten. Wir müssen das in der Uni durchbrechen, sonst werden sie keine anderen Lehrkräfte. Damit verbunden ist eine weitere Besonderheit bei uns und zwar, dass die Bildungswissenschaft von Erziehungswissenschaftlern vertreten wird. Anderswo können das auch Soziologen oder Psychologen machen. Uns ist wichtig, dass wir dabei die erziehungswissenschaftlichen Ausbildungsanteile stärken.

Der Lehrerberuf öffnet sich gerade: Einige Bundesländer experimentieren mit „Lehrer-Light-Versionen„, um mehr Leute für den Beruf zu interessieren. Was halten Sie davon? 
Das Brandenburgische Hochschulgesetz ermöglicht bereits vielfältigen Zugang zum Hochschulstudium. Wir können damit eine große Zahl junger Menschen mit unterschiedlichen Bildungsbiografien für das Studium interessieren. So neu ist das alles also nicht. Aber es steckt doch die Frage dahinter: Welche Idee von Schule haben wir? Dann wissen wir auch, was wir von denen erwarten, die Schule machen. Wollen wir den Schwerpunkt auf den Fachwissenschaften oder mehr auf Pädagogik? Wenn man das richtig angeht, kann man eine Ausbildung generieren, die auch für Quereinsteiger gut funktioniert. Die gehören sowieso längst zur Realität in den Schulen.  

Was ist Ihre persönliche Idee von Schule? 
Die Schule ist klassisch eine geschlossene Institution, die Gesellschaft reproduziert, wie sie mal war. Aber wir befinden uns im gesellschaftlichen Wandel, in dem sich auch Wissen und der Umgang damit transformiert. Deshalb muss Schule sich auch nach außen öffnen. Meine Idee ist: Schule ermöglicht, dass Kinder sich wohlfühlen und das Handwerkszeug entwickeln, mit dem sie Wissensangebote beurteilen können. …

Juliane Noack Napoles, Jahrgang 1978, gestaltet als kommissarische Leiterin den neuen Studiengang Lehramt Primarstufe in Senftenberg aus. Davor war sie Professorin für Erziehungswissenschaft in der Sozialen Arbeit in Cottbus. Noack Napoles stammt aus Görlitz. Sie hat Sozialpädagogik, Pädagogik und Ökonomie in Siegen und Schweden studiert, ihre Postdoc-Zeit verbrachte sie in Brasilien.
Mit Juliane Noack Napoles sprach Claudia Arndt.

Dies ist ein Beitrag aus dem Neue Lausitz Briefing vom 27. Juni 2023.

Sie wollen mehr?

Dann testen Sie das Neue Lausitz Briefing 4 Wochen kostenlos. Sie erhalten

+ alle aktuellen Beiträge dienstags, 6 Uhr, in Ihrem E-Mail-Postfach

+ tiefgründige Recherche zu den Kernthemen der regionalen Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur

+ kritische Analysen, Hintergründe und Zusammenhänge

+ Meinungsbeiträge von namhaften Kommentatorinnen und Kommentatoren

Einfach hier anmelden ↗

Hier sind Sie richtig.
Die Neue Lausitz ist das unabhängige Medium für Kohleausstieg und Strukturwandel.

Wir haben die News, Hintergründe und Analysen aus der dynamischsten Region Deutschlands.