Ein Auftritt im Stil von Elon Musk kann nicht schaden, wenn man eine Gigawatt Factory bauen will. Thorsten Kramer hat mit der Leag Sachen vor, die noch vor Jahren unvorstellbar waren Foto: Leag

Was bringt die Gigawatt Factory?

Das neue Image des Bergbau-Unternehmens Leag klingt nach guter alter Industrie, nur jetzt in grün. Aber braucht die Lausitz wirklich noch einen Energie-Monopolisten im Zeitalter der Erneuerbaren?

Von Christine Keilholz

Die Braunkohle-Industrie der Lausitz hatte über die vergangenen 100 Jahre schon viele Namen. Einer war Lausitzer Braunkohle AG (Laubag), ein anderer Vattenfall. Der aktuelle ist Lausitzer Enerige AG (Leag). Der nächste Name steht schon mit großen Lettern am Horizont. Er lautet Gigawatt Factory. Ende September verkündete Leag-Vorstandschef Thorsten Kramer, was damit gemeint ist, nämlich eine „180-Grad-Wendung“ in der Unternehmensgeschichte. „Dann wird die Leag in ein paar Jahren 100 Prozent des Stroms, den sie jetzt aus Kohle gewinnt, aus Erneuerbaren gewinnen.“ Die Leag will nicht mehr sein, was sie mal war. Der größte Arbeitgeber und Grundbesitzer der Lausitz will weg vom Braunkohle-Image, hin zum veritablen Multichannel-Strom-Anbieter. Strom bleibt das Hauptprodukt, so viel ist klar. 

Die Gigawatt Factory ist im Herbst gestartet als eine Kampagne, die bundesweit Furore machen soll. Drei Botschaften will das Bergbau-Unternehmen damit verkünden: Erstens macht es nun auch grünen Strom. Zweitens verheißt die Factory industrielle Größe, die weitere Industrieansiedlungen in die Lausitz ziehen soll. Drittens steckt hinter dem Konzept ein Umbau, der letztendlich bewirken soll, dass der Bergbau-Betreiber auch als Wind- und Sonnenverstromer der Energie-Monopolist der Lausitz bleibt. 

Nicht nur in der Lausitz ist die EPH-Konzernfamilie der Leag-Eigner aktiv im Geschäft mit den Erneuerbaren. Im Schatten des Kraftwerks Lippendorf, südlich von Leipzig, baut die EPH-Tochter EP New Energies den Photovoltaik-Park Böhlen.

Die Gigawatt-Kampagne offenbart zudem, dass die Leag, trotz aller Veränderungen im Portfolio, weiterhin der oberste Werbeträger für die Lausitz bleiben will. Der letzte große Industriebetrieb der Region gilt als Repräsentant für Wirtschaftskraft. Die Lausitzer Politik ist stolz darauf, einen Industriebetrieb zu haben, der von Cottbus aus expandiert. Insbesondere das Land Brandenburg sieht das Unternehmen als eine ihrer Eigenmarken, obwohl das Unternehmen dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský gehört. Ein Teil der Lausitzer Strukturwandel-Politik zielt darauf ab, die Leag auch für die Zeit nach der Kohle als Energie-Monopolist in der Lauistz zu erhalten. Dabei müsste die Rolle des Unternehmens für die Lausitz gerade nach diesem Jahr neu diskutiert werden. 

Kohle verdient das Geld, das in Windparks investiert wird 

Spätestens seit Russland im Februar die Ukraine überfiel und damit den deutschen Energiemix für die kommenden Jahre obsolet machte, ist die Diversifizierung des Energiemarkts in vollem Gange. Gemeinden pflastern ihre Turnhallen mit Solarmodulen. Immer mehr Hausbesitzer kümmern sich um eigene Stromproduktion. Das Investorenrennen um die windkrafttauglichen Flächen im Osten Deutschlands hat angezogen. Einige Photovoltaik-Installateure konnten schon im Sommer keine Aufträge mehr annehmen, weil sie mit dem Installieren nicht mehr hinterherkamen. Bislang unterschätzte Branchen in den Erneuerbaren Energien erleben mit der Energiekrise einen Boom. Das könnte den Aufschwung für einen neuen grünen Mittelstand werden. 

Doch den Schwung will auch der Industrie-Konzern Leag für sich nutzen. Die Idee hinter der Gigawatt Factory ist einfach: Kohle sorgt für Grundlast, bis die Erneuerbaren auf eigenem Land grundlastfähig werden. Die gesicherte Leistungskomponente kommt bis auf Weiteres aus den Kraftwerksstandorten. Dort wird das Geld verdient, das die Leag in eigene grüne Projekte investiert, wie etwa die Windparks Forst Briesnig. Perspektivisch will der Konzern sogar in einer eigenen Fabrik Solarmodule bauen, ließ ein leitender Mitarbeiter jüngst bei einem Vortrag vor Unternehmern wissen.  

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Solche Pläne finden erstaunlicherweise viel Zustimmung in einem Teil der mittelständischen Wirtschaft. Das hat Tradition. Die Annahme, dass kleine und mittlere Firmen in der Lausitz nur im Kielwasser der Braunkohle-Industrie erfolgreich sein können, sitzt tief. Die Lausitzer Wirtschaft mag sich noch immer nicht anders denken als eine Ansammlung agiler Zulieferer‚ und Dienstleister für die rauchenden Schlote eines Kohlekraftwerks. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einige dieser Zulieferer sich längst freigeschwommen haben und auf anderen Feldern erfolgreich sind.

Die Leag beansprucht ihre Position im öffentlichen Leben der Lausitz – und sie bekommt sie zugestanden. Ein Werbespot der Boomtown-Imagekampagne für Cottbus, in dem Leag-Personalvorstand Jörg Waniek für gute Arbeitsplätze in der Lausitz warb, wirkte wie ein Werbespot für die Leag – bezahlt allerdings aus öffentlichen Kassen. Im eigenen Ausbildungs-Zentrum in Lübbenau will die Leag künftig den Nachwuchs für die gesamte Energiebranche ausbilden. Diese Qualifizierungsinitiative für Erneuerbare Energien (Qlee) wird durch Mittel aus dem Stark-Programm für die Kohleregionen gefördert. Dass die Mittelständler dadurch mehr Nachwuchs bekommen, ist indes fraglich. Nicht unwahrscheinlich ist, dass der vom Land geförderte Konzern den Mittelständlern Fachkräfte abspenstig machen wird.

Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 29. November 2022.

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