Drei für 2038

Die Chefs der ostdeutschen Kohleländer wollen nicht am vereinbarten Kohleausstieg rütteln. Das betonen sie mehr als den Fortschritt der Energiewende. Namentlich, wenn sie gemeinsam auf der Bühne stehen.

von Christine Keilholz

Das Jahr des Ausstiegs aus der Kohleverstromung bleibt das am meisten kontroverse Thema im Strukturwandel. Eine Jahreszahl zu nennen und dann zurückrudern zu müssen, gilt auch drei Jahre nach dem Kohleausstiegsbeschluss als ein politisches Desaster. Passiert ist das jüngst Thorsten Kramer. Der Vorstandschef des Bergbauunternehmens Leag ließ sich mit der Zahl 2033 vernehmen – verbunden mit der Botschaft, bis dahin könne sein Unternehmen durchaus die Kohle hinter sich lassen. Diese Zahl wiederholte Kramer beim jüngsten Zusammentreffen der Strukturwandel-Szene in Cottbus nicht. 

Bei der Infrastrukturkonferenz des Bundesverbands der Energiewirtschaft (BDEW) verzichtete Kramer lieber auf Zeitansagen. Bis auf eine: „Bei uns ist jedem klar: 2038 ist der Ofen aus. Für die Entwicklung eines Geschäftsfelds in dieser Größenordnung sind 15 Jahre wenig Zeit“, sagte der Energiemanager in der Stadthalle. „Unsere Aufgabe ist, unseren Mitarbeitern und Dienstleistern zu zeigen, dass eine Zukunft nach der Braunkohle möglich ist.“ 

So spricht ein König auf Canossagang. Es hatte Ärger gegeben. Die Belegschaft der Kraftwerke und Tagebaue forderte Rechenschaft vom Vorstandschef, wie der auf die Zahl 2033 käme. Die Ministerpräsidenten, so hieß es an den Stehtischen in der Stadthalle, seien sehr unfroh gewesen über Kramers Ansage. Einer von ihnen, der Brandenburger Dietmar Woidke (SPD), wollte die Zahl 2033 nicht weiter kommentieren. „Ich freue mich immer sehr, wenn Unternehmen sich auch mal eigene Ziele setzen, gerade was die Klimaneutralität betrifft“, sagte Woidke der Neuen Lausitz am Rande der Konferenz. „Aber es geht nicht nur um die Leag, sondern um die Energieversorgung bundesweit.“  

„Auf fossile Energieträger angewiesen“ 

Gleich drei Ministerpräsidenten waren zum Treffen der Energieunternehmen gekommen. Das bot Gelegenheit, gemeinschaftlich den Standpunkt zum Kohleausstieg zu erneuern, da Ukrainekrieg, Versorgungsunsicherheit und die Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerks-Blöcken neue Denkansätze fordern. Auf dem Dreierpodium ließen Woidke, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer (beide CDU) keinen Zweifel daran, dass sie der Bundesregierung keine Neuerungen beim Kohleausstieg durchgehen lassen würden. 

So ging es beim Zusammentreffen der drei auf der Bühne über weite Strecken um Strom, der bezahlbar bleiben müsse, um eine gefürchtete Deindustrialisierung durch hohe Kosten. Und um angesägte Äste an Bäumen. „In Berlin wird kräftig an dem Ast gesägt, auf dem wir sitzen“, gab Woidke zum Besten. „Wir sitzen auf dem Ast, der, wenn die Sonne nicht scheint, nach wie vor auf fossile Energieträger angewiesen ist.“ Aus der Kohle aussteigen heiße immer noch, auf 20 Prozent der Energie zu verzichten, die verbraucht werde, führte Brandenburgs Regierungschef aus. Zumal der Stromverbrauch wachsen werde. „Jetzt liegt es am Wirtschaftsministerium zu zeigen, wo der klimaneutrale Ast wächst. Und wenn der gewachsen ist, dann müssen wir drüberklettern.“ 

Überhaupt bot das Treffen Gelegenheit, gemeinsam gegen Berlin auszuteilen. „Explodierende Strompreise, massive Probleme bei der Versorgungssicherheit und beim Strukturwandel ist wenig bisher Konkretes erreicht“, so fasst Michael Kretschmer die Arbeit der Ampelregierung des vergangenen Jahres zusammen. In einem Industrieland dürfe Energie kein knappes Gut sein, so Sachsens Regierungschef. Seine Forderung: „Dass Nord Stream 1 erhalten bleibt, wir die Speicherung vorantreiben, ansonsten ist man abhängig von LNG Gas.“ Also von dem importierten Energieträger, auf den Kanzler Olaf Scholz (SPD) seine Hoffnung als Ersatz für russisches Öl und Gas setzt. 

„2038 ist Gesetz“ 

Da ist es für den SPD-Mann Woidke kein Leichtes, zwischen heimischer Kohle-Raison und Ampel-Marschrichtung zu balancieren. Woidke hatte als einziger der Anwesenden den rot-grün-gelben Koalitionsvertrag mitverhandelt, der das heikle „idealerweise 2030“ für den Kohleausstieg enthält. Dem begegnet der gebürtige Forster stoisch. Man möge ihm erstmal sagen, woher die Kilowattstunden des Kohlestroms kommen sollen, dann, ja dann könne er sich einiges Erneuerbares vorstellen. 

Der Gast aus Magdeburg ließ sich dagegen auf keinerlei Jahreszahl-Diskussion ein. Der frühere Kohleausstieg ist nach Ansicht Reiner Haseloffs eine politische Zielstellung ohne absehbaren Erfolg. „Das ist für Europas größte Volkswirtschaft nicht zu schaffen.“ Zudem sei der Ausstieg 2038 nun einmal Gesetz. „Das bedeutet. Jede Diskussion außerhalb dieses Gesetzes ist nicht legitim, es sei denn, er ändert das Gesetz.“ Gemeint war Robert Habeck. Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich zuvor zuschalten lassen. Habecks Botschaft: Ein früherer Kohleausstieg ist möglich und die Kohleregionen können davon sogar profitieren. In Sachsen-Anhalt endet das Kohlezeitalter Ende 2034, dann wird das Kraftwerk Schkopau abgeschaltet. 


Dies ist ein Beitrag aus dem Neue Lausitz Briefing vom 07. März 2023.

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