Mehr als die Hälfte findet die Lausitz attraktiv

Der aktuelle Lausitz-Monitor offenbart ein gemäßigtes und besonnenes Meinungsbild in der Strukturwandel-Region. Allerdings mit wachsender Skepsis in der Energiepolitik.

von Christine Keilholz

Vor einer Woche hat der Evaluierungsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums ergeben, dass sich die Förderungen des Investitionsgesetzes Kohleregionen noch nicht merklich auf die Kohleregionen niederschlagen. Die administrativen Prozesse brauchten eben Zeit zum Wirken, so hieß die Begründung vom Bund. Viele Projekte steckten noch in der Pipeline. Das bestätigt der Lausitz-Monitor, das umfangreichste Meinungsbild der Energieregion, nun vom anderen Ende her: Die wenigsten Lausitzerinnen und Lausitzer spüren, dass der Strukturwandel etwas in ihrem Leben ändert. 

Das Gute: Ein knappes Drittel (31 Prozent) der Befragten geht davon aus, dass sich die persönliche Lebenssituation in den vergangenen fünf Jahren besser oder viel besser geworden ist. Das weniger Gute: Diese Veränderungen verbindet kaum jemand mit dem Strukturwandel – also mit den 17,2 Milliarden Euro, den Forschungseinrichtungen und den Tausenden Behördenjobs, die der Strukturwandel in die Lausitz bringt. Die Kompensationen, die die Region für das Ende ihrer Kernindustrie bekommt, sind noch nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen. 23 Prozent der Befragten beklagen gar eine Verschlechterung ihres persönlichen Lebens. Knapp die Hälfte (46 Prozent) kann keine Veränderung feststellen. 

Der Lausitz-Monitor ist das umfassendste Meinungsbild aus der Region beiderseits der Landesgrenze. Die dritte Auflage haben die Macher Jörg Heidig und Stefan Bischoff mit Unterstützung der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung erstellt. Befragt wurden Anfang des Jahres 1.022 Lausitzerinnen und Lausitzer aus allen sechs Landkreisen in Sachsen und Brandenburg. 

Energiekrise ist erkennbare Zäsur 

Anders als die zwei Vorgänger-Untersuchungen zeigt der aktuelle Monitor weniger, wer die Lausitzer sind – sondern vor allem, was sie denken über die Themen, die als wahlentscheidend angesehen werden. Ging es sonst um Rückkehrer, Frauen und Jugendliche, wurden diesmal die Haltung zur Energiepolitik und Strukturförderung abgefragt. 

Wichtigster Befund: Drei Jahre nach dem Kohleausstiegsbeschluss lehnt eine Mehrheit der Lausitzerinnen und Lausitzer den Kohleausstieg ab. 49 Prozent sind laut Umfrage dagegen, dafür sind 42 Prozent. Das ist ein Rückfall gegenüber 2021. Damals hatten die Befürworter des Kohleausstiegs die Mehrheit. 

Überhaupt zeigt sich bei allen Fragen, die Energie betreffen, ein Abrutschen seit 2021, dem Jahr vor dem Beginn des Ukrainekriegs. Dennoch teilen die meisten Lausitzer das Anliegen, das hinter dem Kohleausstieg steckt. Knapp die Hälfte (49 Prozent) befürwortet die Ziele der Energiewende grundsätzlich. 36 Prozent sind dagegen, 15 Prozent sind unentschlossen.

Mehrheit gegen Kohleausstieg 2030 

Derweil erleben die erneuerbaren Energien kontinuierlichen Zuwachs an Vertrauen. Die Zustimmung für Solar- und Windenergie leicht gestiegen gegenüber dem vergangenen Jahr. Auch hier sackte die Kurve nach 2021 leicht ab. Für einen vorgezogenen Kohleausstieg 2030, wie ihn die Ampelregierung plant, sprechen sich im Lausitz-Monitor nur 21 Prozent der Befragten aus. Drei mal so viele lehnen das Vorhaben ab. 

Die Entwicklungen in der Energiebranche treffen die Lausitzer indes mehr als Verbraucher – weniger als wirtschaftlich besonders betroffene Einwohner einer Energieregion. Kaum jemand – nur ein Prozent – ist der Meinung, dass der Wandel am Arbeitsmarkt positive Auswirkungen die persönliche Zukunft hat. Auch beim Strukturwandel im Zuge des Kohleausstiegs erwarten nur sehr wenige (sechs Prozent) positive Effekte für ihr persönliches Leben. Das bedeutet, die allerwenigsten sehen die Folgen des Kohleausstiegs als etwas, das sie angeht. 

Klar ist, dass weiterhin viel zu tun ist und wir die Lausitzer nicht mit der Energiewende alleine lassen“, kommentierte Sachsens Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) die Umfrageergebnisse. „Die aktuellen Ergebnisse des Lausitz-Monitors zeigen, dass die Menschen in der Lausitz die Energiewende befürworten und bereit sind, die Strukturentwicklung mitzugehen. Dafür müssen wir ihnen die notwendige Verlässlichkeit und Planungssicherheit geben.“ 

Zwei Drittel spüren Fachkräftemangel 

Gemessen an dem Schock durch den russischen Angriff auf die Ukraine und die daraus folgende Energiekrise hält sich die Einstellung der Lausitzer zum Leben einigermaßen konstant. Zwei Drittel sehen ihrer Zukunft optimistisch entgegen. Dem gegenüber steht eine allgemein negative Bewertung der Job-Möglichkeiten in der Lausitz. Lediglich ein Drittel der Befragten (32 Prozent) findet die Lausitz attraktiv zum Arbeiten. 

Eine Ursache dafür bemerken die meisten bereits im Arbeitsalltag. Fast zwei Drittel (61 Prozent) spüren die Wirkungen des Fachkräftemangels bei der täglichen Arbeit. Der Evaluationsbericht der Bundesregierung nannte vor einer Woche die Verfügbarkeit von Arbeitskräften als größtes Wachstumshemmnis in den Kohlerevieren. In Zukunft, so die Empfehlung, sollte bei der Auswahl von Projekten mehr darauf geachtet werden, ob von ihnen ein Beitrag zur Stärkung des Arbeitskräftepotenzials ausgeht. 

Bemerkenswert ist die wirtschaftliche Identität, die die befragten Lausitzerinnen und Lausitzer ihrer Region zuschreiben. 92 Prozent sehen Schwerpunkt für eine künftige wirtschaftliche Entwicklung der Lausitz im Bereich Gesundheit. Damit hat die Identifikation als Gesundheitsregion die mit der Energieregion (85 Prozent) überholt. Tourismus kommt an dritter Stelle. 58 Prozent halten die Lausitz für eine insgesamt attraktive Region.