HINTERGRUND / FORSCHUNG IN DER NIEDERLAUSITZ
Von dem vielgepriesenen Ausbildungsabkommen mit der BTU Cottbus profitiert vor allem ein Partner: die Bahn. Der Konzern sichert sich die Hoch-Qualifizierten, erspart sich aber einen wirklichen Beitrag für die Lausitzer Hochschullandschaft.
von Christian Füller

Als der Ministerpräsident Brandenburgs und der Personalchef der Bahn vor Kurzem die Kooperation zwischen der BTU Cottbus-Senftenberg und dem viertgrößten Arbeitgeber der Republik verkündeten, schwirrten wieder Superlative umher. Die Zusammenarbeit der „herausragenden Akteure“ BTU und Bahn sei „Meilenstein und Motor“ für den Transformationsprozess, sagte Dietmar Woidke (SPD). Ein genauer Blick auf den Qualifizierungs-Pakt zwischen der Universität und der Bahn zeigt: Davon profitiert in erster Linie ein Partner – der Weltmeister im Zu-spätkommen.
Die BTU erhofft sich von der Kooperation vor allem einen besseren Zugang zur Konzernspitze. „Durch den Rahmenvertrag mit der Bahn werden die bisherigen Einzelvereinbarungen mit den Bahn-Töchtern harmonisiert – und in der Hierarchie ganz oben verortet“, sagte der Uni-Vizepräsident für Studium und Lehre, Peer Schmidt, der Neuen Lausitz. „Das ist für uns ein großer Vorteil, denn wir bekommen da ein größeres Gewicht.“
Tatsächlich gab es bereits eine Vielzahl von Verbindungen zwischen BTU und Bahn – aber durch den neuen Rahmenvertrag entsteht eben kein neues Zentrum unter den beiden Partnern. Die BTU bekommt keinen Lehrstuhl von dem 56-Milliarden-Umsatz-Giganten, die dualen Studiengänge erreichen nicht etwa ein neues Niveau. Die Bahn holt ihrerseits alles aus der Uni, was sie kriegen kann: Praktikanten, Absolventen, internationale Studierende, ja sogar Studienabbrecher sollen aus dem Hörsaal Richtung Bahnwerk gelotst werden. Ein neues Prunkstück im Curriculum sucht man hingegen vergeblich.
Sparsamer Ansatz
Für ein hochmodernes ICE-Instandhaltungswerk – wie das in Cottbus gerade entstehende – sind duale Studiengänge, die sowohl zu einem Bachelor führen als auch einen Gesellenbrief ausstellen, eigentlich optimal. Sie sind technologisch in den relevanten Domänen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen und IT angesiedelt. Und sie bieten den Bewerbern optimale Möglichkeiten: Sie können als Gesellen arbeiten und der Weg in die akademisch grundierten Ingenieursdisziplinen steht ihnen dank des Bachelor-Abschlusses offen. Allerdings steht und fällt die Attraktivität dieser Studiengänge, die über die Region hinaus weist, mit dem angebotenen Gehalt. Für diesen Teil des Deals wäre der Konzern zuständig.
Doch auf diesem Feld scheint die Kooperation zwischen Bahn und BTU eben keine neuen Maßstäbe zu setzen. Ein Arbeitgeber wie die Bahn sollte für diese kombinierte Ausbildungs- und Studienlaufbahn attraktive Gehälter anbieten. Nach Informationen der Neuen Lausitz fährt die Bahn hier einen Spar-Kurs: die Azubi-Studierenden werden in etwa des Tarifs für Lehrlinge von rund 1.400 Euro bezahlt obwohl sie neben der Ausbildung studieren, also deutlich mehr leisten. Und jene dual Studierenden, die nur eine Praxis-Einbettung bekommen, werden den Azubis entsprechend bezahlt. Das ist gutes Geld. Um aber auch Bewerber aus Berlin, Dresden, Leipzig, Schwerin und vielleicht auch Hamburg, Köln und München anzuziehen, müsste die Bahn in den dualen Studiengängen deutlich besser bezahlen.
Zum Vergleich: in den guten dualen Studiengängen der Bildungsrepublik werden laut einer Stepstone-Übersicht deutlich über 2.000 Euro pro Monat bezahlt. Die Unternehmen zahlen Studierenden so viel, weil sie um jede Fachkraft ringen. Wie gering der Pull-Effekt ist, den die Bahn in Cottbus ausübt, lässt sich in Zahlen ausdrücken. Gerade einmal neun dual Studierende sind im Bahnwerk beschäftigt einer Fabrik, die in den nächsten zwei Jahren rund 750 Jobs zu besetzen hat. Eine Ausweitung der Studierendenzahlen im Bahnwerk ist trotz der Rahmenvereinbarung „noch nicht in trockenen Tüchern“, wie eine in der Angelegenheit gut informierte Person berichtet.
Kein Stiftungslehrstuhl
Gleichzeitig kauft die Bahn die Universität geradezu leer. Jede Art von Absolvent und Nicht-Absolvent ist in der milliardenschweren Montagehalle willkommen, wo bald 1.200 Fachkräfte jeder Art die berühmten Intercity Express instandhalten und auffrischen sollen. Das bedeutet, die Bahn nimmt der Universität den Nachwuchs für die entscheidenden Disziplinen ab. Das Unternehmen, das weltweit knapp 280.000 Beschäftigte auf der Gehaltsliste hat, will verstärkt in den internationalen Studiengängen der BTU wildern. Da ist die Lausitzer Universität viel erfolgreicher, als manch Außenstehender denken mag: Indien, Pakistan, China, Iran, Bangladesh aus diesen Staaten könnten künftig hochqualifizierte Mitarbeiter der Deutschen Bahn kommen. Asien ist der Erdteil, in dem die BTU großes Ansehen genießt.
Ein möglicherweise folgenschweres Minus in der neuen Kooperationsvereinbarung zwischen Bahn und BTU ist die Abwesenheit eines neuen Lehrstuhls. Vizepräsident Peer Schmidt kann gute Gründe anführen, warum an der BTU der seit Ende 2023 verwaiste Eisenbahn-Lehrstuhl nicht neu besetzt wurde. „Wir sollten uns an dieser Stelle nicht verkämpfen“, sagt er der Neuen Lausitz. „Beim Eisenbahnwesen können wir es als kleine Uni auch nicht mit dem Angebot der Verkehrswissenschaftlichen Fakultät der TU Dresden aufnehmen.“
Bahn kein Magnet für BTU
Dieses Argument verweist auf den Hochschulentwicklungsplan von vor zehn Jahren. Tatsächlich ist die Bahn ein derart potenter Partner, dass ein Stiftungs-Lehrstuhl finanziell überhaupt kein Problem wäre. Und auch von der Denomination könnte man dort eben nicht auf Vergangenheit, sondern Zukunft und Potenzial setzen. Warum nicht einen Vernetzungslehrstuhl „Mobilität der Zukunft“ stiften und durch die Gremien der Universität besetzen lassen? Welches Unternehmen wäre geeigneter, einen solchen Lehrstuhl auszurufen, als die Bahn? Und welche Region könnte davon mehr profitieren als die Lausitz, wo – wenn alle Blütenträume Wirklichkeit werden – künftig Wasserstoff, Teleskope, künstliche Intelligenz und moderne IT-Systeme zu Hause sind?
So aber bleibt eine schaler Beigeschmack bei der vertieften Kooperation zwischen BTU und Bahn, die grundsätzlich zu begrüßen ist. Immerhin dürfte Cottbus ein weltweites Unikum darin sein, Züge der modernsten Bauart reparieren zu wollen – selbst aber vom ICE-Netz auf weitere eineinhalb Jahrzehnte hinaus ausgeschlossen zu bleiben. Und ähnlich immobil sieht es nun mit den Qualifikationen aus. Die Bahn lockt nicht etwa kluge Leute in die Lausitz. Sie nimmt den bestehenden Betrieben gute Mitarbeiter weg.