Der Mann ohne Brandmauer

12. März 2024

PORTRAIT / LANDRAT UDO WITSCHAS IM KREIS BAUTZEN

Udo Witschas ist einer der bekanntesten Kreispolitiker in Deutschland. Und als berüchtigter Rechtsblinker eine Reizfigur in der CDU. Wie sieht seine Politik als Landrat in Bautzen aus?

von Naomi Asal

Udo Witschas ist eine Reizfigur in der sächsischen Politik. Viele werfen ihm einen Kuschelkurs mit Rechtsextremen vor. Foto: LRA Bautzen
Udo Witschas ist eine Reizfigur in der sächsischen Politik. Viele werfen ihm einen Kuschelkurs mit Rechtsextremen vor. Foto: LRA Bautzen

Bunte Schilder und wehende Regenbogenfahnen – rund 1.500 Menschen demonstrieren Ende Januar in Bautzen gegen Rechtsextremismus. Vereine, Gewerkschaften, und Parteien haben zur Kundgebung aufgerufen. Auf der Bühne stehen auch CDU-Politiker wie der sächsische Innenminister Armin Schuster und Karsten Vogt, der Oberbürgermeister von Bautzen. Doch einer ist nicht dabei: Der Landrat Udo Witschas.

Der CDU-Politiker ist seit mehr als einem Jahr Landrat im Kreis Bautzen. Zuvor hat er als erster Beigeordneter seinen Vorgänger Michael Harig (CDU) vertreten. Witschas‘ erstes Amtsjahr war geprägt von Erfolgen und Skandalen. So konnte das Landratsamt den Bau des Bauforschungszentrums (LAB) und eines Bundeswehrstandorts in der Region verkünden. In den Medien wird Witschas allerdings mit anderen Botschaften verbunden. Seine Weihnachtsansprache 2022, in der er sich gegen die Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen und lehrstehenden Wohnungen im Kreis aussprach, sorgte bundesweit für Entsetzen. Wenige Monate später folgte der nächste Skandal: Witschas hatte auf Facebook einem Neonazi zum Geburtstag gratuliert. Das Landratsamt sprach von einem Versehen.

Udo Witschas ist eine Reizfigur in der sächsischen Politik. Viele werfen ihm einen Kuschelkurs mit Rechtsextremen vor. Ministerpräsident Kretschmer nannte ihn einen, der „in sein Amt hineinwächst“, was in keinem Arbeitszeugnis gut klingen würde. Aber Witschas gewinnt Wahlen für die CDU. In Ostsachsen, dem Kraftzentrum der AfD, ist das zu einer Besonderheit geworden. Das macht den 52-Jährigen mit dem akkuraten Haarschnitt zu einem Gewährsmann der Kommunalpolitik alten Schlags.

„Demos gegen Rechtsextremismus spalten“

Witschas empfängt in seinem konsequent beige eingerichteten Landratsbüro. Er trägt einen schwarzen Slimfit Anzug und hat einen festen Händedruck. Das bunteste im Raum ist seine pink gepunktete Krawatte. Warum er nicht auf den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus war? „Weil ich als Beamter politisch neutral bin“, ist seine Antwort. Er wäre ohnehin nicht hingegangen, schiebt er nach, „weil die Proteste nur gegen rechts und nicht gegen Linksextremismus sind. Das verstärkt die Spaltung im Land“. Solche Aussagen stärken sein Profil als Rechtsblinker. Auch deshalb, weil er sein selbstgestecktes Gebot der politischen Hygiene an anderer Stelle lockerer handhabt. Udo Witschas findet, Landräte und Bürgermeister sollten sich nicht zu Demonstrationen äußern.

Genau das tat er aber bei den Bauernprotesten. Anfang Februar hielt der Landrat eine Rede auf dem Bauern- und Handwerkerprotest für Demokratie in Radibor. Anfang Januar besuchte Witschas einen Protest der Bauern, als sie eine Autobahnzufahrt blockierten. „Ich habe den Bauern meine Unterstützung versichert“, schrieb Witschas auf Facebook. Die Landwirte, die den Verkehr blockierten, konnten sich der Sympathie des Landrats sicher sein. Anders als die versammelten Demokraten.

„Eine Brandmauer ist der Tod der Demokratie“

Während die CDU bundesweit noch über die Brandmauer zur AfD debattiert, scheint sie in Bautzen schon abgeschafft zu sein. „Es gibt keine Brandmauer“, ist Witschas überzeugt. „Eine Brandmauer ist der Tod der Demokratie, denn sie negiert den Volkswillen.“ Solche Äußerungen sichern ihm Aufmerksamkeit innerhalb der Partei, deren Vorsitzender neuerdings die AfD zum Hauptgegner erklärt. Witschas indes sieht es als seine Pflicht als Demokrat, mit der AfD zu sprechen und gegebenenfalls auch gemeinsam abzustimmen. Sollte die AfD wegen Demokratiefeindlichkeit verboten werden, will er nicht mehr mit AfD-Politikern sprechen, räumt er ein. Die AfD Sachsen wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Witschas ist in Hoyerswerda geboren, hat Gas- und Wasser-Installateur gelernt und später Verwaltungs-Betriebswirtschaft studiert. Er war lange Bürgermeister der Gemeinde Lohsa. Gegen Berlin poltert er gerne, der Bund ist für ihn der Grund für die Unzufriedenheit der Menschen und vor allem der Bauern im Landkreis. Er selbst sieht sich nicht in der Verantwortung, die Wogen zu glätten. „Da kann ich so viele Schulen bauen, wie ich will. Gegen diese Unzufriedenheit kann ich nicht ankommen“, sagt er. Besonders wichtig war es ihm, die Bezahlkarte für Geflüchtete noch vor der Regierung einzuführen. Die Karte gilt im Kreis Bautzen ab April und kommt damit neun Monate vor dem Bund.

Mit solchen Aktionen treibe Witschas im vorauseilenden Gehorsam Forderungen der AfD voran, schätzt Silvio Lang ein, Kreisvorsitzender der Linken in Bautzen. Lang wertet die Bezahlkarte als Versuch der CDU, Wählerstimmen der AfD abzuwerben. Das Kalkül gehe allerdings nicht auf: „Ich glaube, man macht die AfD dadurch aber nur stärker.“. Tatsächlich betitelt die AfD Sachsen die Einführung der Bezahlkarten in Bautzen als ihren Verdienst. Der Landrat selbst versichert, die Idee käme aus seinem Haus und werde nun nachträglich beansprucht.

„Zwei neue Dörfer“

In einem gelben Klassenzimmer mit gebastelten Wattewolken an den Fenstern sitzen Erwachsene auf Holzstühlen. Was aussieht wie ein Elternabend, ist Udo Witschas‘ Bürgersprechstunde in einer Schule in Weißenberg. Einmal im Monat zeigt er damit, dass er politische Kommunikation kann. Er steht auf, wenn er sich an die Menschen wendet, geht auf sie ein. In einfachen Worten erklärt er die Vorteile des Strukturwandels. Im Kreis werden zwei neue Leuchttürme angesiedelt: Das Bauforschungszentrum „Living Art of Building“ und ein neuer Bundeswehrstandort. Für viele ist es schwer zu greifen, was das an Veränderungen bringt. Witschas greift die Skepsis auf: „Bevor hier der erste Wissenschaftler hinzieht, wurden schon 450 Millionen für den Bau des Bauforschungszentrums vom Bund gezahlt“, erklärt der Landrat. „Solche Projekte werden trotz Ausschreibungen zu 85 Prozent von heimischen Unternehmen gemacht.“ Der neue Bundeswehrstandort bringe nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Familien, die mit den Berufssoldaten herziehen, so der Politiker. „Da können wir zwei neue Dörfer aus dem Boden stampfen.

Ein Bürger ist skeptisch: „Die ganzen Bauvorhaben sind ja schön und gut, aber uns fehlen die Fachkräfte dafür. Viele Handwerker müssen ihre Unternehmen dichtmachen“. Zum Thema Fachkräftegewinnung hat Witschas viel zu sagen doch eines lässt er aus: Dass ein Klima aus verweigerter Flüchtlingsunterbringung, fehlender Abgrenzung gegen Rechtsextreme und allerschnellster Bezahlkarte, die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland einen Bogen um Bautzen machen lässt.

Doch danach fragt auch niemand bei der Bürgersprechstunde. Auch nicht nach Brandmauern. Man ist zufrieden mit dem Mann aus Lohsa, der im Gespräch so nahbar rüberkommt. Man kennt Witschas als naturverbundenen Familienmenschen, der mit seiner Frau und vier Kindern auf einem weitläufigen Grundstück wohnt und gern von seinen Schäferhunden erzählt. Das gehört zu Witschas‘ Selbstdarstellung, wie auch der selbst gebaute Hühnerstall auf dem Grundstück der Familie. In Weißenberg schätzen sie ihn als einen, der zu ihnen kommt und zuhört. „Unsere Wünsche sind bei ihm in guten Händen“, findet ein Mann im Publikum.