ANALYSE / BEVÖLKERUNG IN DER LAUSITZ
Viele Kommunen können sich über Zuzug freuen. Doch sie leiden an zwei anderen statistischen Werten. Die sind teils dramatisch.
von Christine Keilholz

Lübbenau hat es gut: Lübbenau wächst. Alle Zuzüge und Wegzüge, Geburten und Sterbefälle einberechnet, konnte Lübbenau Ende 2023 knapp über 16.000 Einwohner buchen – 86 mehr als im Jahr davor. Ein solches Plus in der Bevölkerungssstatistik ist eine Besonderheit in der Lausitz. Es zogen deutlich mehr Menschen nach Lübbenau als weg von dort.
Die guten Werte haben Gründe. Lübbenau liegt 80 Kilometer vor den Toren von Berlin, das ist längst eine komfortable Distanz für Berufspendler. Auf der Strecke von Berlin nach Cottbus ist Lübbenau eine praktisch unumfahrbare Station. Und schön dazu. Das Mittelzentrum hat noch bezahlbare Immobilien und ist bestens angebunden.
Solche Orte gewinnen, sagt die jüngste, viel beachtete Bevölkerungsanalyse, die die Bertelsmann-Stiftung vor einer Woche veröffentlichte. Ansonsten zeichnet die Bevölkerungsvorausberechnung für 2040 namens „Wegweiser Kommune“ für Ostdeutschland ein düsteres Bild. Fast überall herrscht Schrumpfung, teils dramatisch. Hauptursache ist ein statistischer Wert, der fast überall zwischen Rostock und Zittau die Bevölkerungsstatistik nach unten zieht. Auch Lübbenau ist davon nicht verschont: Hier sterben übers Jahr dreimal so viele Menschen wie neu geboren werden.
Berliner ziehen bis nach Guben
Für die Lausitz gibt es eine gute Nachricht: Die meisten Kommunen ziehen mehr Leute an als sie verlieren. Nach einer Umfrage, die Neue Lausitz in den Rathäusern durchgeführt hat, vermeldeten nahezu alle mehr Zuzüge als Wegzüge. Das betrifft nicht nur die Orte in günstiger Lage. Selbst Löbau im Kreis Görlitz konnte sich 2023 über mehr als 1.000 Zuzügler freuen. Guben und Forst an der polnischen Grenze verzeichnen positive Wanderungssalden. Sie profitieren von Überlaufeffekten der Hauptstadt: Berliner, die mehr Platz zum Wohnen wollen, schauen auf der Suche nach Immobilien längst über Cottbus hinaus.
Die schlechte Nachricht: Zu Wachstum führt das trotzdem nicht. Im Gegenteilt: Die meisten Kommunen verlieren Einwohner. In Forst waren es zum Jahresende 151 weniger, in Görlitz 152. In Lauchhammer im Kreis Oberspreewald-Lausitz sind Zuzüge und Wegzüge fast gleichauf – trotzdem ging die Bevölkerung um 173 Menschen zurück. Sogar das bei bauwilligen jungen Leuten beliebte Großräschen verlor 123 Einwohner.
In solchen Zahlen wird das demografische Problem Ostdeutschlands ablesbar. Es sind die Spätfolgen früherer Wegzugs-Wellen, die west- und süddeutsche ländliche Räume so nie erfahren haben. Die gealterte Gesellschaft führt zu hohen Sterbezahlen, der Mangel an jungen Leuten, insbesondere Frauen, zu niedrigen Geburten. Die Bevölkerung schafft es aufgrund der hohen Altersstruktur nicht mehr, sich natürlich zu reproduzieren. Nun rücken die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter nach. Dies führt dazu, dass die Zahl der Erwerbsfähigen abnimmt, während mehr Menschen altersbedingte Leistungen beziehen.
Kreis Bautzen 15 Jahre älter als Leipzig
Was das bewirkt, skizziert die Bertelsmann-Pronose: In Sachsen steigt das Durchschnittsalter demnach innerhalb von zwei Jahrzehnten um ein Jahr auf 50,3 Jahre. Damit ist Sachsen im Jahr 2040 fast sechs Jahre älter als ganz Deutschland. Die Stadt Leipzig, die noch immer attraktivste Metropole nach Berlin, ist dann im Schnitt 15 Jahre jünger als der Kreis Bautzen. 2040 sind laut Vorausberechnung die Kreise Görlitz und Bautzen im Schnitt 55,2 und 54,9 Jahre alt. Spree-Neiße liegt dann bei 56,7 Jahren und ist vier Jahre älter als Brandenburg im Ganzen. Im Jahr 2024, zwei Jahre nach dem beschlossenen Kohleausstieg, wird ein Drittel der Brandenburgerinnen und Brandenburger im Rentenalter sein.
Unter den kreisfreien Städten im Osten haben Leipzig und Potsdam Bevölkerungszuwächse von mehr als zehn Prozent zu erwarten. Cottbus hat zwar 2023 mehr als 500 Menschen dazugewonnen – wird aber laut Prognose um 3,8 Prozent schrumpfen. Frankfurt sogar um das Doppelte.
Von den 19 Landkreisen in Brandenburg werden zehn Menschen verlieren. Am unteren Ende steht Spree-Neiße mit einem Minus von 17,1 Prozent. Zu den Gewinnern gehört Dahme-Spreewald mit mehr als zwei Prozent Plus. In Elbe-Elster und Oberspree-Lausitz wird ein Bevölkerungsrückgang von elf Prozent und mehr erwartet.
