Warum Net Zero Valley?

17. Mai 2024

ANALYSE / EU-FÖRDERUNG IN DER LAUSITZ

Modellregion, gar Sonderwirtschaftszone ist ein lange gehegter Traum. Jetzt scheint es zu klappen mit dem Net Zero Act. Allerdings ist noch offen, was genau das bringt.

von Christine Keilholz

Der Industriepark Schwarze Pumpe als Nukleus eines Net Zero Valley, davon kann sich Thierry Breton heute vor Ort überzeugen. Foto: ASG Spremberg

Das hat Robert Habeck beeindruckt. „Die Lausitzer Kommunen waren die ersten, die nach Brüssel gefahren sind und gesagt haben: Toll, dass Ihr das macht!“, sagte der Bundeswirtschaftsminister der Grünen Ende Februar in Cottbus. Da war das Netto-Null-Industriegesetz, das er meinte, noch nicht einmal beschlossen. Aber die Lausitz hatte schon die Hand gehoben, um Net Zero Valley zu werden. Eine der ersten Regionen also, in denen das EU-Gesetz Anwendung findet. Es soll den Ausbau von Netto-Null-Technologien beschleunigen.

Zu verdanken ist das der Gunst des Zufalls. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Lausitz-Runde saßen während ihrer Brüssel-Reise am Tisch von Thierry Breton. Der EU-Kommissar für Binnenmarkt erzählte vom Netto-Null-Gesetz, das sein Haus in Arbeit hatte. Ausgewählte Regionen können als Net Zero Valley bevorzugte Bedingungen bekommen. Die Gäste aus Spremberg, Guben, Rietschen, Welzow und Forst waren sofort interessiert. „Dann seid Ihr die ersten Bewerber“, sagte der Kommissar aus Frankreich. Im Gegenzug bekam er eine Einladung in die Lausitz.

Drei Monate später ist der sogenannte Net Zero Act von der EU-Kommission vorgeschlagen und vom EU-Parlament beschlossen – und die Lausitz ist praktisch die erste Region in Deutschland, die sich offen dazu bekennt, ein Net Zero Valley werden zu wollen. Was genau das Gesetz in Form von Förderung und Konditionen für die Lausitz bedeuten kann, ist noch nicht bekannt. Der Besuch des 69-jährigen Franzosen zeigt wenige Wochen vor der Europawahl, was die Brüsseler Politik im wirtschaflichen Nahraum bedeuten kann.

Zweiter Erfolg für die Lausitz-Runde

Die Lausitz will schon lange europäische Modellregion werden. Unternehmen versprechen sich dadurch bessere Bedingungen und volle Fördertöpfe. Kommunen hoffen auf neue Finanzquellen für ihre Aufgaben. Sie haben daher schnell verstanden, wie wichtig es ist, auf europäischem Parkett unterwegs zu sein. Regelmäßige Reisen nach Brüssel gehören längst zur Performance Lausitzer Bürgermeister, wie früher die Dienstbesuche beim Landrat. Ein sichtbares Ergebnis dieser Arbeit ist die Strukturstärkung, die es in dieser Form nicht gegeben hätte ohne den internationalen Einsatz der Rathauschefs. Sollte nun das Net Zero Valley kommen, wäre das der zweite große Erfolg.

Um diesen zu erringen, wird an diesem Freitag zum Besuch Bretons in Schwarze Pumpe alles aufgeboten. Vertreter von Bund und Ländern machen dem Gast die Aufwartung. Mit BASF, Leag, Altech und ArcelorMittal stehen die großen Industriebetriebe und Investoren Spalier. Kammern, Gewerkschaften und Wissenschaften reihen sich ein: sowohl BTU Cottbus-Senftenberg als auch die TU Dresden schicken Abgesandte. Sämtliche öffentliche Stellen der Umgebung werden vertreten sein, bei diesem Hochamt der Transformation in Deutschlands größtem Braunkohlerevier.

Das drückt auch ein neues Selbstbewusstsein aus, zu dem die Lausitz gelangt ist. Bretons Besuch ist noch nicht die feierliche Übergabe der Plakette Net Zero Valley. Dafür sind noch viele Schritte nötig. Aber er bestätigt, dass es in Brüssel eine Aufmerksamkeit gibt für das Händeheben der Lausitz. Dem Vernehmen nach soll es 20 Netto-Null-Regionen in der EU geben. Von den 41 Kohleregionen werden wahrscheinlich einige dabei sein.

Länder müssen Bewerbung schreiben

Die Wirtschaft begrüßt in erster Linie die Verfahrensbeschleunigungen, die das Gesetz bewirken will. „Das ist essenziell wichtig, damit sich die gewünschten Technologien bei uns ansiedeln“, sagte Frank Großmann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. „Net Zero hat an vielen Stellen Potenzial für eine noch bessere Entwicklung. Das betrifft die komplette Lieferkette. Alle Unternehmen, die da drin sind, können profitieren.“ Die IHK unterstützt einen Aufruf, in dem sich mehrere Vereinigungen für das Net Zero Valley aussprechen von der Handwerkskammer über den Verein Pro Lausitz, bis zum Jugendnetzwerk Junge Lausitz.

Das kann für die Lausitz eine große Sache werden, wenn man das Richtige daraus macht“, sagte Sachsens Lausitz-Beauftragter Jörg Huntemann gegenüber Neue Lausitz. „Wir finden das sehr spannend und müssen nun vor allem erstmal sehen, was das Programm konkret beinhaltet und auch welche finanziellen Möglichkeiten damit verbunden sind.“

Denn noch ist nicht klar, was das Net Zero Valley genau bedeuten wird. Das Gesetz beinhaltet neue Instrumente zur Fachkräftesicherung, sofern sie Nullemissionstechnologien betreffen. Kommunen sollen Unterstützung bei der Digitalisierung von Verwaltungsaufgaben bekommen. Auf diese Weise will Brüssel schnellere Verfahren ermöglichen, damit Technologien schneller realisiert werden können. Dies dürfe allerdings nur der Anfang sein, sagte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD): „Wir sehen, dass andere Entscheidungen der EU wie beispielsweise verschärfte Grenzwerte aller Art, Zulassungs- und Bewertungsverfahren für Chemikalien und erweiterte Berichterstattungs- und Kontrollregelungen die hier zu erwartenden Erleichterungen massiv konterkarieren.“ Die EU müsse einen Gesamtrahmen schaffen, der die Unternehmen anspornt, forderte der Minister.

Die Bewerbung auf Anerkennung als Netto-Null-Region muss in den nächsten Wochen von den Ländern Brandenburg und Sachsen gemeinsam geschrieben werden. Einreichen in Brüssel muss sie das Bundeswirtschaftsministerium.