Was der Rückzug von SVolt für das Autoland Brandenburg bedeutet

28. Mai 2024

HINTERGRUND / ANSIEDLUNGEN IN DER NIEDERLAUSITZ

Der chinesische Batteriehersteller kommt nicht nach Lauchhammer. Das ist nicht der erste Dämpfer für Brandenburg nach einer beispiellosen Ansiedlungswelle. Der nächste könnte bald folgen.

von Christine Keilholz

Die Sorge war mit Händen zu greifen in Lauchhammer. Nun ist das Befürchtete eingetreten. SVolt hat abgesagt. Der chinesische Batteriehersteller wird sich nicht im Kreis Oberspreewald-Lausitz ansiedeln. Das machte das Unternehmen am Freitag fast beiläufig bekannt. In einer langen Erklärung, in der es um die veränderte Produktionsstrategie ging, hieß es, der Standort Lauchhammer in Brandenburg werde „nicht wie geplant umgesetzt“.

Diese Nachricht ist gleich dreifach bitter für die Lausitz. Zum Ersten für Lauchhammer, eine der von der Kohleindustrie und ihrem Ende gebeutelten Städte der Lausitz. Lauchhammers Traum von einer neuen Kernindustrie bleibt vorerst unerfüllt. Zweitens – und noch viel gravierender – ist der Rückschlag für das Land Brandenburg, das sich als neues Kernland der klimaneutralen Automobil-Industrie einen Namen machen will. Brandenburg als Komplettanbieter von der Batterie bis zum fertigen Tesla-Stromer, das wird so schnell nicht funktionieren. Weil drittens ein fest eingeplanter Partner unsicher zu werden droht: China und seine Investoren, großzügig ausgestattet mit staatlichen Milliarden.

Automobilbranche mit 300 Unternehmen

Brandenburg hat sich gute Chancen ausgerechnet, Gewinner der E-Mobilität zu werden. Die Umstellung der Antriebstechnologie ordnet auch die dahinter stehenen Industrien neu. Den guten alten Motorschmieden in München, Stuttgart und Sindelfingen gehört nicht mehr unbedingt die Zukunft, wenn es anderen Regionen gelingt, die Innovatoren der Batterieherstellung anzuziehen. Brandenburg kann seit einigen Jahren um die 10.000 Jobs in diesem Sektor der Auto-Industrie vorweisen. Weil es gelang, nach dem Ansiedlungserfolg von Tesla in Grünheide schnell nachzulegen. Einen großen Teil des Wirtschaftswachstums verdankt das Land der Automobilindustrie.

Batterietechnologie gilt als Zukunftsgarant und bietet die Chance, Süddeutschland den Rang als Kraftzentrum dieser deutschen Kernindustrie abzulaufen. Berlin und Brandenburg haben eigens einen Verbund gegründet, um sich als „Fahrzeugland 2.0“ gemeinsam zu vermarkten. Zusammen kommen Hauptstadt und Hauptstadtregion nach Angaben aus den Wirtschaftsressorts auf 300 Unternehmen der Automobilbranche. In der Lausitz zählen dazu Rock Tech in Guben, oder auch BASF mit seiner Kathodenfabrik in Schwarzheide.

Grünheide und Schipkau ungewiss

In diese Wertschöpfungskette hätte SVolt gut hineingepasst, erklärte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Freitag hilflos. Man sei nun bemüht, eilig einen Nachfolger für das Areal in Lauchhammer zu bekommen, das die Chinesen bereits gekauft hatten. Auch im Rathaus herrscht Paralyse nach dem Schock der Absage. Die Wirtschaftsförderung Brandenburg müsse sich nun kümmern, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage.

Das Aus von SVolt ist nicht der erste Dämpfer für das Autoland Brandenburg nachdem Tesla im vergangenen Jahr verkündet hat, keine kompletten Batterien in Grünheide zu produzieren, sondern nur Teile. Die Steuervergünstigungen in den USA wogen doch schwerer als Elon Musks Sympathien für Brandenburg – und deutsche Subventionen. Ein weiterer Rückschlag könnte bald folgen: Um die Ansiedlung einer Porsche-Tochter in Schipkau ist es sehr ruhig geworden.

China drängt auf Automarkt Europa

Brandenburg hat beim Aufbau seines automobilen Industriewunders viel auf die chinesische Karte gesetzt. Glanzvolle Großfabriken, wie sie ein Autoland braucht, sind Spezialität von China. Brandenburg ist interessant geworden für junge chinesische Unternehmen, die ins globale Batterie-Geschäft streben. Chinesen sind an Microvast in Ludwigsfelde beteiligt. In Guben will „Botree Cycling“ eine Demonstrationsanlage für 100 Millionen Euro aufbauen und 100 Arbeitsplätze schaffen. Botree Cycling ist innerhalb weniger Jahre vom Startup zum Betreiber von gigantischen Fabriken gewachsen.

Das kommunistisch regierte Reich will globaler Gewiner des klimaneutralen Fahrens werden. Und sieht sich dabei in Konkurrenz zu Europa und den USA. In Brüssel kursieren Pläne für Zollschranken in Richtung China, das längst nicht mehr globale Produktionsstätte ist – sondern mit eigenen Marken die deutschen Qualitätshersteller in Bedrängnis bringt. Entsprechend will sich die EU-Kommission vor der Europawahl als Beschützerin der europäischen Industrie profilieren.

Dass die Entscheidung gegen Lauchhammer mit der Brüsseler Blockade zu tun hat, liegt nahe. In ihrer Erklärung prangert die deutsche Zentrale in Frankfurt/Main „international drohende Strafzöllen bis hin zu Marktverzerrungen durch langwierige sowie ungleich verteilte Fördermittel“ an. Es fehle an Planungs- und Rechtssicherheit von Produktionsstätten, heißt es.

Kein Deal mit BMW

SVolt aus Changzhou ist eine Ausgründung des chinesischen Automobilherstellers Great Wall Motors, der in Deutschland mit seinen elektrischen Kleinwagen zwar noch kein großes Geschäft macht. Aber das kann sich schnell ändern, denn die deutschen Herstellern können in diesem Segment noch kaum etwas anbieten. SVolts Plan, BMW mit Batteriezellen zu beliefern, ist offenbar gescheitert. Damit verliert laut offizieller Lesart die Produktionsstätte in Lauchhammer ihren Zweck.

Von bis zu 1.000 Arbeitsplätzen war die Rede, die im ehemaligen Rotorwerk von Vestas entstehen sollten. Die Produktion sollte 2025 beginnen. Noch vor wenigen Wochen sah in Lauchhammer alles ganz anders aus. Mitte März bereiste Unternehmenspresident Hongxin Yang die Lausitz. Er besuchte das Werk, das der dänische Windrad-Hersteller 2022 verlassen hatte. „Der Standort hat mich überzeugt“, sagt Yang. Er sprach auch mit ehemaligen Vestas-Mitarbeitern, die SVolt bereits eingestellt hatte. Es sah aus, als könne nichts mehr schief gehen.