Umkämpfte PV-Flächen

2. Juli 2024

ANALYSE / ERNEUERBARE IN DER LAUSITZ

PV-Anlagen werden immer größer. Dadurch wächst der Widerstand. Anwohner fürchten ums Landschaftsbild, Landwirte um ihre Felder. Dabei wird das größte Flächenpotenzial noch kaum genutzt.

von Gereon Wintz

Der PV-Park Boxberg geht ans Netz. Zur feierlichen Inbetriebnahme Ende April kam Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, re.). Foto: Leag / Thoralf Schirmer
Der PV-Park Boxberg geht ans Netz. Zur feierlichen Inbetriebnahme Ende April kam Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, re.). Foto: Leag / Thoralf Schirmer

Große Freude herrschte in der Solarwirtschaft, die Ende Juni zur Intersolar, einer der großen Messen für Photovoltaik (PV) zusammenkam. Deutschlandweit boomt die Branche wie noch nie: Mit fast 15 Gigawatt neuen Kapazitäten wurde im vergangenen Jahr ein Rekordzubau erreicht – und die Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums um mehr als die Hälfte übertroffen.

In Brandenburg und Sachsen zeigt die Ausbaukurve nach oben. Dies geht aus einer Veröffentlichung des Bundesverbands Solarwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme anlässlich der Intersolar hervor. Der Report zeichnet ein differenziertes Bild des PV-Ausbaus in den Bundesländern. Für die Lausitzländer ist jeweils bemerkenswert: In Brandenburg dominieren große Freiflächenanlagen die Photovoltaiklandschaft. Sachsen ist bundesweites Schlusslicht bei PV auf Wohngebäuden.

Großer Andrang auf Flächen für Photovoltaik

Zur Zeit findet ein regelrechter Kampf um Flächen für PV statt“, erklärt Thomas Domin gegenüber Neue Lausitz. Er ist Landwirt und bewirtschaftet 320 Hektar Ackerland, Grünland und Wald in Peickwitz bei Senftenberg. „Per Mail bekommen wir wöchentlich Anfragen von Projektentwicklern.“ Den Andrang bekommt er auch von seinen Verpächtern gemeldet. Was Domin für seinen Betrieb beobachtet, passt in ein größeres Bild: Von 6,61 Gigawatt installierter PV-Leistung in ganz Brandenburg entfallen 4,53 auf Freiflächenanlagen.

Mehr als zwei Drittel aller Sonnenkollektoren stehen auf Wiesen und Äckern. Dachanlagen machen nur 31 Prozent aus. Das ist so wenig wie in keinem anderen Bundesland. Deutschlandweit ist die Statistik sogar genau umgekehrt: 68 Prozent des Sonnenstroms wird auf Deutschlands Dächern gewonnen. Außerdem bemerkenswert ist die durchschnittliche Größe der Anlagen in Brandenburg. Mit 63 Kilowatt beträgt sie fast das dreifache vom Bundesdurchschnitt. Nur in Mecklenburg-Vorpommern sind die Anlagen größer.

153 Kilowattstunden pro Quadratkilometer

Der Anblick, der sich auf Zugfahrten durch Brandenburg bietet, spiegelt sich in der Statistik wider: Kein anderes Bundesland ist so dicht mit Freiflächen-Photovoltaik bebaut. Ganze 153 Kilowattstunden installierter Leistung sind pro brandenburgischem Durchschnittsquadratkilometer installiert. Das ist mehr als in allen anderen Bundesländern.

Unter den 14 brandenburgischen Landkreisen liegt Oberspreewald-Lausitz auf Platz zwei. Hier hat Thomas Domin seinen Hof. Im Jahr 2011 entstand im Landkreis der seinerzeit größte Solarkomplex Europas. Auf 350 Hektar Tagebau-Folgefläche war der Solarpark Meuro Vorbild für viele, die folgten. Heute liegt der Komplex nicht einmal mehr unter den Top Drei in Brandenburg. Der süddeutsche Energiebetreiber EnBW brachte seit 2020 drei noch größere Projekte ans Netz: Die Solarparks Weesow-Willmersdorf im Kreis Barnim, dazu Gottesgabe und Alttrebbin im Kreis Märkisch-Oderland.

Solche Solarparks der Superlative leisten einen wichtigen Beitrag für die deutsche Energiewende und bilden das Fundament der brandenburgischen Zukunft als Energieregion jenseits der Braunkohle. Dabei stoßen sie unter Anwohner:innen nicht unbedingt auf Zustimmung. Denn die nicht selten mehrere dutzend Fußballfelder großen Anlagen verändern Landschaftsbild enorm.

Zudem kommt es immer wieder vor, dass Landwirte gepachtete Ackerflächen verlieren, weil sie nicht mit den Pachterträgen der Solarparks konkurrieren können. „Wer das Glück hat, eine größere zusammenhängende Fläche zu besitzen, denkt natürlich über PV nach – bei den Pachterträgen“, sagt Thomas Domin. „Was mit den landwirtschaftlichen Betrieben passiert, ist im Zweifel egal“. Das Rechercheportal Correctiv untersuchte diese Praxis bereits 2021 und kam zu dem Schluss, dass ein unkontrollierter Zubau von Freiflächen-PV die Akzeptanz der Energiewende in Brandenburg gefährde.

Höchstens zehn Prozent der Dächer genutzt

Doch ohne Solarfelder keine Energiesicherheit, ist Christoph Kost vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme überzeugt: „Generell müssen sowohl Dachanlagen als auch Freiflächenanlagen installiert werden, um die Strombedarfe in einem klimaneutralen Energiesystem zu decken“, sagte der Wirtschaftsingenieur der Neuen Lausitz. In puncto Dachflächen-Photovoltaik besteht sowohl in Brandenburg als auch Sachsen noch Luft nach oben. Besonders groß ist der Nachholbedarf im Freistaat. Unter den Flächenländern kommt Sachsen auf die geringste installierte Leistung auf Wohngebäuden pro Kopf.

Dabei eröffnen Dachanlagen auch Privatpersonen eine Möglichkeit, finanziell von der Energiewende zu profitieren. Dieser Groschen scheint nun auch in Sachsen zu fallen, denn die Ausbaukurve zeigte hier in den letzten Jahren steil nach oben.

Investitionen in Erneuerbare ziehen langfristig positive Effekte mit sich“, sagt Kost. Das liege auch daran, dass sich eine hohe Quote an Erneuerbaren günstig auf lokale Strompreise auswirke. Diese wiederum stellen einen wichtigen Standortfaktor für Industrieansiedlung dar. Doch bis jetzt, so schätzen die Experten des Fraunhofer Instituts, hat Sachsen höchstens zehn Prozent der Dachkapazitäten ausgeschöpft.

Bürgerteilhabe stärken, Landwirte beteiligen

Die Bedeutung von Freiflächenanlagen wird auf absehbare Zeit eher zunehmen. In der Lausitz stehen aktuell eine ganze Reihe von Großprojekten in den Startlöchern. Tonangebend ist die Leag, die mit ihrer Gigawatt Factory neuen Nutzen aus alten Tagebauen ziehen will. Die Flächen sind groß, weit weg von Wohngebieten und deshalb prädestiniert für konfliktfreien Ausbau.

Einige Teilprojekte sind bereits am Netz, etwa, seit Ende April der 23 Hektar große Solarpark Nochten bei Boxberg. Andere sind noch in Bau, wie der PV-Energiepark Bohrau, der sich bald über ganze 400 Hektar in der Nähe von Forst erstrecken wird. Solche Projekte machen den Bergbau-Betreiber zum Pionier auf dem Weg zur Klimaneutralität. Laut Leag wird allein Bohrau Strom für 114.000 Haushalte liefern.

Fraglich bleibt, wie die Anwohner auf diesem Weg mitgenommen werden können. In Brandenburg könnte der Solareuro eine wichtige Rolle spielen. Damit bekommen Anrainerkommunen eine Sonderabgabe von 2.000 Euro pro Megawatt für Anlagen, die ab 2025 ans Netz gehen. Zudem erfreut sich die Lausitz einer wachsenden Zahl an Bürgerenergie-Genossenschaften, die selbst Erlöse aus Erneuerbaren für ihre Mitglieder erwirtschaften. Auch ortsansässige Agrarbetriebe könnten stärker beteiligt werden, wünscht sich Landwirt Domin. „Ihnen sollte ein fairer Pflegevertrag für die Solarparks angeboten werden, damit sie zumindest ein bisschen mitverdienen können.“