Lasst Jugendliche endlich mitmachen

22. Oktober 2024

KOLUMNE / FRAUEN

Die Shell-Studie zeigt mal wieder, dass Jugend nicht so will, wie es die Erwachsenen gern hätten. Die Lösung kann nur lauten: Sie müssen endlich gestalten können.Die Shell-Studie zeigt mal wieder, dass Jugend nicht so will, wie es die Erwachsenen gern hätten. Die Lösung kann nur lauten: Sie müssen endlich gestalten können.

von Franziska Stölzel

Jugendförderung in Sachsen: Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) im Mai beim Start der Jugendkampagne „Du machst Dich gut hier“ in Rothenburg im Kreis Görlitz. Foto: Pascal Ziehm
Jugendförderung in Sachsen: Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) im Mai beim Start der Jugendkampagne „Du machst Dich gut hier“ in Rothenburg im Kreis Görlitz. Foto: Pascal Ziehm

Egal ob SINUS-Jugenstudie, Shell-Studie oder Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. 2024 präsentieren viele Studien ähnliche Ergebnisse: Die Jugend tickt ganz anders, als wir Erwachsenen uns wünschen würden. Das zeigt sich auch im Wahlverhalten. Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene wählen die AfD und bezeichnen sich auch als rechts, wie etwa bei Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Oft klingt es so, als könne man die jungen Menschen nicht verstehen, dabei schlagen Verbände seit Jahren Alarm. Klar ist, wir wissen schon genug – wir setzen es nur nicht um.

Die Jugend ist eine zentrale Stütze unserer Gesellschaft – auch in der strukturschwachen Lausitz fühlen sich immer mehr junge Menschen abgehängt. Sie erleben ihre Umgebung als benachteiligend, fühlen sich oft allein gelassen und finden keine Möglichkeiten, sich lokal zu entfalten. Das ist erstaunlich in einer Region, die viel Geld und Aufwand investiert, damit junge Leute nicht nach dem Schulabschluss das Weite suchen. Es gibt Beteiligungsprojekte wie #MISSION2038 oder das JuFoNa. Aber all das lässt die umworbene Jugend nicht in der Heimat siedeln. Ein Grund könnte sein, dass diese Bemühungen nicht zur Umsetzung, sondern zur Frustration führen.

Generation hat keinen Einfluss

Jugendliche fühlen sich immer weniger von der Politik vertreten. Immer mehr junge Männer finden rechtsextreme Einstellungen akzeptabel. Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Anna Grebe ist Wissenschaftlerin für Jugendpolitik und wird deutlich: „Ja, Jugendliche haben rechte Tendenzen und Einstellungen, aber eine aufrichtige Reflexion bleibt aus.

Stattdessen werden junge Menschen als zukünftige Fachkräfte und Steuerzahler adressiert. In der Lausitzer Debatte finden Jugendliche überhaupt nur Erwähnung, wenn ein Unternehmen oder ein Wirtschaftsverband nach Nachwuchs schreit. Ansonsten fremdeln die Wortführer aus Wirtschaft und Politik offensichtlich mit dem, was Teenager so tun. Oder was sie umtreibt. Es braucht eine Interessenvertretung ohne das Einmischen der Erwachsenen.

All die Studien weisen darauf hin, dass junge Menschen Ängste haben, die für viele Erwachsene nicht richtig nachvollziehbar sind und auch nicht ernst genommen werden. Der Klimawandel, bewaffnete Konflikte und Kriege und soziale Isolation treiben Schülerinnen und Azubis mehr um als die Frage, ob ihre Heimat Modellregion für diese oder jene Zukunftstechnologie wird. Ihre psychische Gesundheit verunsichert sie mehr als die Rentenfrage. Sie merken, dass sie in der Minderheit sind und dass ihre Anliegen hinten angestellt werden gegenüber denen der viel größeren Altersgruppe 50 aufwärts, die sich auf den Lebensabend einstellt.

Unverantwortlich also, dass alle Parteiprogramme zur Landtagswahl 2025 kaum Jugendliche und Kinder berücksichtigen. Wie sollen sich junge Menschen einbringen, wenn ihre Lebensrealitäten und Zukunftsfragen auf politischer Ebene ignoriert werden? Es ist kaum verwunderlich, dass sie die Lust auf Politik und Institutionen verlieren. Dabei haben sich die Wünsche junger Menschen nicht verändert, attraktive, wohnortnahe Freizeitmöglichkeiten, die ihnen Raum zur Entfaltung bieten. Spielplätze, Sportanlagen und kulturelle Angebote sind essentiell, um den Alltag für Jugendliche abwechslungsreich zu gestalten. Viele klagen über schlechte Verkehrsanbindungen, sodass sie die wenigen verfügbaren Freizeitangebote nicht einmal erreichen – ein Teufelskreis, der ihre Mobilität und Teilhabe weiter einschränkt.

Viel Lob und wenig Mitbestimmung

Ein großes Anliegen der jungen Menschen ist es, endlich gehört zu werden. Kinderund Jugendbeteiligung ist zwar in der sächsischen Gemeindeordnung und der Landkreisordnung verankert, doch in der Realität erleben Jugendliche oft etwas anderes. Ihre Stimmen werden nicht ernst genommen. Das Potsdamer Institut für Nachhaltigkeit (RIFS) hat sich mit der Beteiligung junger Menschen im Strukturwandel beschäftigt. Das Ergebnis: Jugendliche haben in der Lausitz trotz gut gestalteter Beteiligungsprozesse kaum Einfluss auf Entscheidungen zum Strukturwandel. Obwohl ihre Vorschläge von politischen Entscheidungsträgern gelobt werden, fehlen klare Strukturen. Es mangelt an Rückmeldungen und klaren Umsetzungsprozessen ihrer Ideen.

Wenn Gemeinden ihre Jugend konsequent in Planungen einbeziehen würden, könnten nachhaltige Konzepte entstehen, die langfristig zur Stabilität und Attraktivität der Region beitragen. „Sie wollen nicht nur gefragt werden, junge Menschen wollen Entscheidungskompetenz„, sagt Sebastian Schwalbe vom Projekt LUPO. Die Einführung von Jugendräten, verstärkte Partizipationsmöglichkeiten über digitale Plattformen sowie regelmäßige Dialoge zwischen Jugendlichen und politischen Entscheidungsträgern könnten die Kluft zwischen Politik und Jugend überbrücken. Programme zur politischen Bildung in Schulen und Jugendzentren können junge Menschen frühzeitig für demokratische Prozesse begeistern. Dabei geht es nicht nur darum, den Strukturwandel zu gestalten, sondern auch darum, den demokratischen Prozess zu fördern und das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.

Die jungen Menschen wollen ein lebenswertes Umfeld, mehr Mitbestimmung und eine echte Perspektive für die Zukunft. Vertrauenspersonen der Kinder- und Jugendarbeit sind Mittler in partizipativen Prozessen. Doch diese sind immer wieder von extremen finanziellen und damit personellen Kürzungen betroffen. Investitionen in Jugendbeteiligung, Infrastruktur und Freizeitangebote sind zwingend notwendig. Klar, das kostet Geld. Aber was kostet es erst, wenn die Jugend weg ist?