ANALYSE / BUNDESTAGSWAHL 2025 IN DER LAUSITZ
Das Scheitern der Ampel-Koalition kann erhebliche Auswirkungen für die Kohlereviere haben. Hier sind die fünf größten Risiken für die Lausitz und den Strukturwandel.
von Franziska Stölzel und Christine Keilholz

1. Unsichere Förderung
Die Ampel-Koalition hatte Fördermittel zugesagt, um den Strukturwandel in den Braunkohleregionen zu unterstützen. Der Kohleausstieg 2038 und die Strukturstärkung sind seit 2020 Bundesgesetz. Verbunden damit sind 40 Milliarden Euro an Bundeshilfen für die vier deutschen Kohlereviere, davon 17,2 Milliarden für die Lausitz. Diese Zusage hat bisher alle politischen Wirren überdauert.
Fraglich ist, ob eine künftige Bundesregierung der Unterstützung einzelner Regionen ähnlich hohen Stellenwert einräumt. Das Ende der Koalition könnte diese Finanzierungszusagen gefährden oder zumindest zu Verzögerungen bei der Bereitstellung der Mittel führen. Ohne diese Unterstützung könnten viele Projekte ins Stocken geraten oder nur begrenzt möglich werden.
2. Weniger Ehrgeiz bei der CO2-Reduktion
Die bisherigen Pläne von SPD, Grünen und FDP zielten darauf ab, den Kohleausstieg „idealerweise bis 2030“ voranzutreiben – auf diese Formel hatten sich die drei Parteien in den Koalitionsverhandlungen 2021 geeinigt. Der zuvor beschlossene Kohlekompromiss mit dem Ausstiegsziel 2038 wurde damit deutlich ambitionierter, um die Klimaziele zu erreichen.
Dennoch: 2038 gilt laut Beschluss weiterhin. Vor allem aus Rücksicht auf die Lausitz, wo der Widerstand gegen ein vorgezogenes Ende weiterhin groß ist. Der im Sommer entlassene Vorstandschef des Energiekonzerns Leag, Thorsten Kramer, musste auch deshalb gehen, weil er sich mit einem Vorzug auf 2033 vorgewagt hatte – sehr zum Unmut der Leag-Kraftwerker und der Ministerpräsidenten. Kramers Nachfolger, Adolf Roesch, hat sich indes deutlich zum Status Quo bekannt. „Für uns als Leag ist klar, wir halten an 2038 fest“, sagte Roesch beim Lausitzforum an diesem Mittwoch in Schwarzheide. Spannend wird nun, wie sich eine neue Bundesregierung zum geltenden Zeitplan stellt.
3. Einschnitte bei Infrastrukturprojekten
Viele Infrastrukturprojekte sind auf Bundesmittel angewiesen. In erster Linie die großen Schienenprojekte. Für die Schnellzugstrecke zwischen Cottbus und Görlitz hat in diesem Sommer endlich die Planung begonnen, dafür waren Bundesverkehrsminister Voker Wissing (parteilos) und Bahnchef Richard Lutz im Juli extra nach Görlitz gekommen.
Das heißt aber nicht, dass die Priorität ostdeutscher Verbindungslinien endlich steigt. Es war eben erst die Ampel, die hier wieder Möglichkeiten schaffte. Frühere Regierungen, die den Verkehr CSU-Ministern überließen, stuften bayerische Umgehungsstraßen wichtiger ein als ostdeutsche Fernbahnlinien. Eine künftige Bundesregierung, kann an dieser Stelle wieder die Bremse ziehen, wenn das Geld knapp wird und andere Ausgaben drängender.
4. Weniger Unterstützung für innovative Technologien
Die Ampel-Regierung hat sich aktiv für innovative Technologien eingesetzt, um strukturschwache Regionen als Wirtschaftsstandorte zu stärken. Im Sommer hat das Bundeswirtschaftsministerium das Stark-Bundesprogramm für Unternehmen geöffnet, die an der CO2-Reduktion arbeiten.
Wasserstoff, Speicher, E-Fuels, PtX und Erneuerbare – auf diesen Technologien basiert das Wachstumsversprechen der Lausitz. An den großen europäischen Förderaufrufen kann die Lausitz nur teilnehmen, wenn sich die Bundesregierung dafür stark macht. Von Berlin hängt ab, ob die Lausitz mit ihrer Bewerbung als Net Zero Valley in Brüssel punkten kann. Ohne diesen politischen Rückhalt wird der technologische Fortschritt Tempo verlieren. Es würde kaum möglich sein, regionale Kräfte zu bündeln und ihr Interesse für derart ehrgeizige Projekte zu stärken. Das kann die Lausitz langfristig in ihrer wirtschaftlichen Umstellung behindern.
5. Unsicherheit und Vertrauensverlust
Verlässlichkeit ist ein hohes Gut. Die Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition kam daher, dass sie als instabil und zerstritten galt – das ist für Dreierbündnisse nicht ungewöhnlich. Tatsächlich haben die drei Partner ihre Zusagen an die Lausitz eingehalten und am Weg des langsamen, schonenden Kohleausstiegs grundsätzlich festgehalten. Der Kohleabbau, der die Region zerfressen hat und das Klima schädigt, läuft aus – trotz hoher Wahlergebnisse für die AfD, die an der Kohle festhalten will.
Investoren und heimische Unternehmen wissen also, dass sie im größten deutschen Braunkohlerevier eine reichhaltige Förderkulisse und günstiges Investitionsklima vorfinden. Vorausgesetzt, die Politik macht bei diesem so zentralen Thema keine Rolle rückwärts. Das politische Hin und Her könnte zu Verunsicherung in der Region führen. Die Menschen könnten das Vertrauen in die Kontinuität und Verlässlichkeit des Strukturwandels verlieren. Dies könnte die Bereitschaft senken, in Projekte zu investieren oder aktiv an der Transformation mitzuwirken.