ANALYSE / WIRTSCHAFT IN DER LAUSITZ
CDU und SPD wollen die Transformation ins Postfossile zu einem Wirtschaftswunder für den Mittelstand machen. Die Idee: Mit lukrativen Aufträgen kommt auch die Akzeptanz.
von Christine Keilholz
Elektromeister Frank Scholze aus Bautzen installiert Solaranlagen und ist damit aktiver Gestalter der Energiewende. Sein 23-köpfiges Team baut und berät: „Uns fragen die Kunden, was sie installieren sollen und was langfristig sinnvoll ist“, sagt Scholze. „Uns vertrauen sie.“ Das macht den Unternehmer zum perfekten Partner für Dirk Panter (SPD). Sachsens Wirtschaftsminister sieht das Handwerk als Treiber und Ermöglicher der Energiewende, wie er jüngst bei den von ihm veranstalteten Energietagen in Chemnitz bekannte.
Der 51-jährige Sozialdemokrat stammt aus dem Schwarzwald, der Heimat einiger mittelständischer Weltunternehmen, die kaum jemand kennt. Im Dezember hat Panter das Wirtschaftsministerium in Dresden übernommen und überdies die Geschäftsbereiche Energie und Klima dazubekommen, die zuvor in den Händen der Grünen lagen. Das alles zusammenzubekommen, gelingt am besten mit diesen Worten: „Das Handwerk ist der offizielle Ausrüster der Energiewende“, wie Panter in Chemnitz sagte. „Ohne Handwerk bleibt die Energiewende Stückwerk.“
Mit der Handwerkskammer Dresden zusammen hat Panter eine Studie erstellen lassen mit dem Titel „Das Handwerk als Schlüsselbranche zur Umsetzung der Energiewende“. vorgestellt. 380 Unternehmen wurden dafür befragt, wie sie zu Erneuerbaren Energien stehen. Nur 40 Seiten ist das Ergebnis lang, aber die Kernbotschaft ist noch kürzer: Die Energiewende bietet Sachsens Handwerk in den nächsten Jahren viele Aufträge.
Aus Habecks Fehler gelernt
Das Handwerk zum Treiber der Energiewende machen – dieser Ansatz steht geschrieben im Koalitionsvertrag von Union und SPD: Man will Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern der Klimaneutralität machen – durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy sharing. Und was nicht ganz so deutlich dasteht: durch massenhafte Aufträge für kleine und mittelständische Betriebe. Das ist gemeint, wenn die künftige Koalition schreibt, sie wolle auch bei der Energie die „heimische Produktion stärken“.
Derlei Aufträge gibt es schon seit einiger Zeit. Sanitärbetriebe spezialisieren sich auf Wärmepumpen. Anlagenbauer rüsten um auf Solarmodule. Dennoch ist es dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht gelungen, den Übergang ins Postfossile als Akt der Wirtschaftsförderung in die Breite zu tragen. Stattdessen haben in der öffentlichen Wahrnehmung bisher vor allem kapitalstarke grüne Vorzeigefirmen profitiert oder Landbesitzer vornehmlich westdeutscher Provenienz. Wie gut das ankam, zeigen die Wahlergebnisse.
Daraus hat Schwarz-Rot gelernt und will die Energiewende nun den kleinen Betrieben schmackhaft machen, die im ländlichen Osten ohnehin den Großteil der Wirtschaft ausmachen. Damit legt man die bedeutendste Transformation unserer Zeit dem Handwerk zu Füßen, das sie am lautesten kritisiert. Die Skepsis gegenüber den Erneuerbaren ist groß im Handwerk. Ebenso die Anhänglichkeit an die Monopolstrukturen der Braunkohle und an die günstigen Preise aus der Gas-Pipeline. Wer hier überzeugen will, sollte nicht beim Klima ansetzen.
Wille ist da, nur Personal fehlt
Insofern ist Minister Panters Kurzstudie auch eine Marktanalyse. Sie offenbart ein riesiges Potenzial schon allein beim Blick auf die Gebäude. Die sind in Sachsen deutlich älter als im deutschen Durchschnitt. Die Hälfte der Häuser zwischen Delitzsch und Löbau sind vor 1949 gebaut – in ganz Deutschland sind es ein Viertel. 80 Prozent der rund 850.000 Wohngebäude in Sachsen werden noch fossil beheizt. Die Besitzer dieser Häuser waren ehedem wenig erfreut über das grüne Heizungsgesetz, das ihnen angeblich die Wärmepumpe aufzwang. Sofern sie Heizungsbauer sind, können sie sich nun aber darauf freuen, mehr als 30.000 Heizungen pro Jahr auf Klimaneutralität umzurüsten.
Hinzu kommen Dachsanierung, Fenster und Außendämmung: Das Handwerk trägt wesentlich zur Umsetzung und dem Gelingen der Energiewende in Sachsen bei. Das verspricht für die kommenden 20 Jahren zehntausende Sanierungs- und Modernisierungsaufträge. „Das Handwerk steht bereit, die Energiewende zu stemmen“, sagte Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden. Allerdings bremse der Mangel an Fachkräften die Betriebe aus. Das zeigt auch die Studie: Knapp die Hälfte der Unternehmen rechnet mit Rekrutierungsproblemen in Photovoltaik, Elektrotechnik, Dämmung und Heizungsbau.