HINTERGRUND / FÖRDERUNG IN SACHSEN
Sachsens Agentur für Stukturentwicklung steht schon länger auf dem Prüfstand. Die Geldverteilanstalt hat ihr Geld fürs Erste verteilt. Der Freistaat muss sparen. Personal hat sich auch schon verabschiedet. Wie geht es weiter?
von Robert Saar
Die Rolle der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung ist nicht einfach zu beschreiben. Sie soll Antragsteller durch das Richtlinien-Dickicht namens Strukturwandel lotsen. Sie organisiert in der Oberlausitz Revierstammtische und Schulprojekttage, die den Strukturwandel beliebt machen sollen. Und sie ist mit ihren vier Standorten selbst ein Stück Strukturaufbau.
Das unklare Profil verwässert weiter, wenn man die übrigen Akteure im Bereich Strukturwandel und Förderpolitik betrachtet. Da gibt es neben der Sächsischen Aufbaubank (SAB) noch eine Wirtschaftsförderung Sachsen, einen Beauftragten für Großansiedlungen und in Brandenburg die Wirtschaftsregion Lausitz (WRL), das preußische Pendant.
Nicht nur die Rolle der SAS ist schwer zu überblicken. Auch die Förderlandschaft in Sachsen ist so umfangreich und komplex, dass schon zwei Kommissionen an der Verschlankung tüftelten. SPD und CDU sehen es genauso. Im Koalitionsvertrag einigten sich die Parteien auf eine Verschlankung der Förderlandschaft – neben dem Bekenntnis zum Bürokratieabbau. Dass die SAS davon betroffen sein könnte, liegt nahe. Das zeigen auch die zuletzt auffälligen Personalabgänge, etwa die ehemalige Projektmanagerin Katja Dietrich, die an die Rathausspitze von Weißwasser gewechselt ist.
Kontrolle über die Strukturmilliarden
In Dresdner Regierungskreisen denkt man schon länger über eine Umstrukturierung nach. Konkret sind diese Überlegungen nie geworden, zumindest nicht öffentlich. Auch im Koalitionsvertrag sucht man die SAS und ihre Perspektive vergeblich. Bei der Agentur selbst ist man hingegen sicher, auch weiterhin gebraucht zu werden und eine gute Arbeit zu machen.
Jörg Mühlberg ist überzeugt, dass seine Agentur einen wichtigen Beitrag leistet: „Wir alle arbeiten daran, dass die Menschen auch nach dem Kohleausstieg eine Perspektive haben und sich in Sachsen wohlfühlen können.“ Mühlberg leitet die Geschäfte der Agentur seit 2019. Damals verabschiedete sich Sachsen aus der gemeinsamen Förderstruktur mit Brandenburg, wo bis heute die WRL den Strukturwandel zentral koordiniert und umsetzt. Das Sächsische Gegenstück ist streng genommen also keines, da es keine finalen Entscheidungen über Fördergelder treffen kann. Allerdings ist es ein politisches Gegengewicht zur Wirtschaftsförderung Sachsen: die untersteht dem Wirtschaftsministerium, das seit über zehn Jahren SPD-geführt ist.
Was der Grund war, warum Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die SAS wollte: die Agentur mit ihren 28 Planstellen sichert der CDU die Entscheidung über die Fördermilliarden des Strukturwandels. Also war zu erwarten, dass dieser Bürokratieaufbau unter dem Dach des CDU-geführten Ministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung (SMIL) in Zeiten knapper Kassen auf den Prüfstand kommt.
Mühlberg ist als früherer Abteilungsleiter bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) ein Meister der Zahlen. Er rechnet gern vor, was seine 27 Kolleginnen und Kollegen an den vier Standorten Weißwasser, Borna, Leipzig und Dresden erreicht haben. Die Gelder der ersten Förderperiode, 2021 bis 2026, sind zugewiesen. Rund 945 Millionen Euro in kommunalen Projekten und Landesprojekten sind verplant. Wer aus dem Strukturwandeltopf für kommunale Projekte Geld will, muss frühzeitig bei der SAS vorsingen und wird sie bis zum endgültigen Geldfluss nicht los. Die Agentur prüft Förderfähigkeit und Förderwürdigkeit. Mühlberg und sein Team entscheiden, beraten, werten aus, fungieren als Geschäftstellen – sie sind allgegenwärtig im aktuellen Procedere um Fördergelder.
Opposition will Förderreform
Während niemand explizit die SAS anspricht, fordern Oppositionsfraktionen im Dresdner Landtag eine Reform und Verschlankung der Förderlandschaft in Sachsen. Stefan Hartmann, Strukturwandel-Sprecher der Linken in Sachsen, sagte Neue Lausitz: „Wir wollen einen vertrauensvollen Umgang: Das bedeutet, Nachweispflichten abzuschaffen, aber schlagkräftige Stichprobenkontrollen durchzuführen.“ Die Linke schlägt außerdem Bürgerbeteiligung in Form von Regionalbudgets vor, bei denen vor Ort mehr entschieden wird.
Auch Franziska Schubert (Bündnis90/Grüne) plädiert für eine Reform. Neben einer Reduzierung der Förderprogramme fordert Schubert eine Trennung zwischen Wirtschaft und Gemeinützgkeit: „Es ist überfällig, dass zwischen gemeinnützigen Bereichen und wirtschaftlichen Bereichen unterschieden wird.“ Die Haushaltsexpertin und Strukturwandel-Sprecherin war mit den Grünen bis zur Wahl letzten Herbst in einer Regierung mit SPD und CDU. „Ein Blick in die Koalitionsverträge der vergangenen zehn Jahre zeigt, dass das Bewusstsein da ist, Förderungen und Förderprogramme zu prüfen, anzupassen und zu optimieren.“ Es mangele aber am Umsetzungswillen, so Schubert.
Auch ohne Haushalt geht es weiter
Auch im damaligen Koalitionsvertrag hieß es, man wolle bündeln und reduzieren, analysieren und „perspektivisch auch Verwaltungsabläufe insgesamt“ evaluieren. Zwei Kommissionen setzten sich allein mit der Förderlandschaft in Sachsen auseinander. 2019 und 2022 machten sie Vorschläge. Die zweite Kommission schlug etwa eine Konzentrierung der Bewilligungsstellen und des Personals und eine thematische Konsolidierung vor. Eine Umsetzung der Vorschläge steht noch aus. In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und CDU bereits einige Vorschläge der Kommission aufgegriffen.
Im Haushaltsentwurf der Staatsregierung für 2025 und 2026 drohen der SAS keine Einschnitte. Auch auf Bundesebene gibt es noch keinen Haushalt für das laufende Jahr, weswegen noch nicht klar ist, wie sich der Bund beteiligt. Allerdings haben sich Union und SPD auf Bundesebene klar zu den Zusagen des Kohleausstiegs bekannt. Eine Kürzung scheint umso ferner zu liegen, als ein 500-Milliarden schweres Programm für Infrastruktur beschlossen wurde. Auch das entsprechende Ausführungsgesetz fehlt aber noch.
2027 beginnt die nächste Förderperiode und es muss ein neuer Haushalt her. Zudem haben CDU und SPD vereinbart, mit eben diesem Haushalt den Fördervollzug auf fünf Bewiligungstellen zu begrenzen – zu denen die SAS nicht gehört. Weiterhin steht, scheinbar entgegen der Bekenntnisse zu Abbau und Verschlankung, die Gründung eines Landesamt für Regionalentwicklung im Raum. Auf Begehren der CDU landete es im Koalitionsvertrag. Der CDU-Abgeordnete und ehemalige Minister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt hatte laut Informationen von Neue Lausitz die Idee dazu. Das Ministerium heißt heute SMIL und Regina Kraushaar (CDU) ist die Chefin.
Welche Auswirkungen die Förderreform auf die SAS haben würde und ob es bereits einen Zeitplan gebe wisse man nicht, hieß es vom SMIL. Zuständig sei das Finanziministerium. Die Formulierung im Koalitionsvertag lässt vermuten, dass sich das Landesamt und die SAS in ihren Aufgaben überschneiden würden, will man doch „das Know-How aus dem den Strukturwandel begleitenden Projektmanagement“ mit anderen Fähigkeiten bündeln.