HINTERGRUND / WISSENSCHAFT IN OSTSACHSEN
Dresden bekommt Exzellenzcluster für klimaneutrales Bauen. Das gibt einer der größten Lausitzer Forschungsinvestitionen neue Dringlichkeit.
von Christine Keilholz
Die Bauforschung in Sachsen bekommt Aufschwung. Das Projekt CARE an der TU Dresden ist als eins von 70 Exzellenzclustern ausgewählt worden. Das hat die Exzellenzkommission am Freitag in Bonn entschieden. Bund und Freistaat fördern das Projekt des Teams um den Baustoff-Forscher Viktor Mechtcherine, das in Kooperation mit der RWTH Aachen entstehen soll.
Zufrieden ist auch Manfred Curbach. Der ehemalige Leiter des Instituts für Massivbau in Dresden baut in der Lausitz das „Living Art of Building“ (LAB) auf. Es wird eine der zentralen Forschungsinvestitionen in Ostsachsen und soll in zehn Jahren rund 1.500 Menschen beschäftigen. Da kommt es sehr gelegen, dass der Forschungsgegenstand gerade jetzt zusätzliche Aufmerksamkeit bekommt.
Inhaltlich verfolgen beide Projekte einen ähnlichen Ansatz – kommen sich aber nicht in die Quere, wie Curbach gegenüber Neue Lausitz betonte. „Für uns ist das weiterhin extrem wichtig, eine ganzheitliche Forschung im Bauwesen zu betreiben. Nur so können wir langfristig dem Klimawandel begegnen.“ CARE und LAB beschäftigen sich mit klimaneutralem und nachhaltigem Bauen – speziell mit Beton, der noch immer 80 Prozent aller Baustoffe weltweit stellt. Um diese Forschung groß aufzuziehen, entstanden der Exzellenz-Antrag und die Idee fürs LAB vor vier Jahren unter demselben Dach in Dresden.
Im Koalitionsvertrag festgeschrieben
Unter dem Namen „Lausitz Art of Building“ ist das LAB 2022 beim Wettbewerb um das Großforschungszentrum in Ostsachsen angetreten. Dieses Rennen gewann seinerzeit das Deutsche Zentrum für Astrophysik (DZA). Doch die Idee einer breit angelegten Bauforschung mit mehreren Zentren zwischen Hoyerswerda und Niesky fand in der Lausitzer Lokalpolitik so viel Anklang, dass ein zweiter Versuch schließlich den Erfolg brachte.
Nachdem die Ex-Bauministerin Klara Geywitz (SPD) das LAB unter ihre Dach geholt hatte, sollte es als Bundesforschungszentrum aufgezogen werden. Curbach geht fest davon aus, dass diese Entscheidung auch unter Geywitz‘ Nachfolgerin Verena Hubertz (SPD) Bestand haben wird. „Der Haushaltsausschuss hat die Gründung des LAB beschlossen. Es steht außerdem im Koalitionsvertrag“, so der Professor. „Offen ist im Moment noch, wann und mit wie viel Geld wir starten können.“
Fokus auf alle Baustoffe
Durch die Entscheidung, das LAB als Bundesforschungszentrum zu gründen, wird das Projekt wohl komplexer als es ein Großforschungszentrum gewesen wäre, da bei Zweitem Örtlichkeiten und finanzielle Ausstattung schon mehr oder weniger vorgegeben waren. Zurzeit begutachtet die Beratungsgesellschaft „Partnerschaft Deutschland“ im Auftrag des Bundesbauministeriums die Details der Pläne von Curbach und seinen Kollegen. Geprüft werden der Inhalt und Alleinstellungswert sowie der öffentliche Nutzen der Investition. Erst wenn das Bundesfinanzministerium sein Placet gibt, kann der Aufbau der Einrichtung beginnen.
Von der Exzellenzinitiative erhofft sich Curbach weiteren Schwung für die Bauforschung in Sachsen. Er ist überzeugt: Erst die Summe aller Initiativen ermöglicht es, den enormen Forschungsbedarf abzudecken. Dazu würden beide Projekte perfekt ineinandergreifen. Das Exzellenzcluster will mit klimafreundlichen Baustoffen, Konstruktion und Fertigung das Bauen ressourceneffizient machen. Dabei widmet sich das LAB diversen Baustoffen. Eine Abteilung für Holz soll in Niesky entstehen und eine weitere in Weißwasser mit Schwerpunkt Glas. In Hoyerswerda soll parallel eine Abteilung entstehen, die sich mit Zertifizierung und Genehmigung befasst.
Länder wollen kofinanzieren
Es war der Bezug zu den Traditionsindustrien der ostsächsischen Mittelstädte, der dem LAB Sympathien einbrachte. Die Unterstützung sei ungebrochen, sagt Manfred Curbach. Die Städte und Landkreise machen sich stark für das Bauforschungszentrum. Mehrere Bundestagsabgeordnete haben sich noch vor der Wahl im Februar eingesetzt, um das LAB sicher über den Regierungswechsel zu tragen. Und, um den Hauptsitz sicher nach Bautzen zu holen.
Denn auch die Standortfrage war zwischenzeitlich komplex geworden, nachdem Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Interesse angemeldet hatten. Die Ost-Länder indes haben ihr Engagement bereits in Euro abgemessen. Thüringen hat 30 Millionen Euro zugesagt, wenn die Bauhaus-Universität in Weimar involviert wird. Sachsen ist bereit, 460 Millionen Euro beizusteuern. Entsprechende Interessenbekundungen liegen vor. Durch die Exzellenz-Entscheidung, ist Manfred Curbach überzeugt, hat das Thema neue Dringlichkeit bekommen.