Woidkes verlorene Heimat

27. Mai 2025

KOMMENTAR / REGIERUNGSKRISE IN BRANDENBURG

Die Abwahl des Potsdamer OB macht deutlich: Brandenburgs SPD entgleitet die Macht. Doch das Drama begann viel früher und zwar in der Lausitz. Es hat viel damit zu tun, wie Dietmar Woidke seiner Heimat den Strukturwandel verordnen wollte.

von Christine Keilholz

Überzeugen kann Dietmar Woidke eigentlich. Doch nach Ansicht Vieler in seinem Umfeld tut er es zu selten. Foto: OWF
Überzeugen kann Dietmar Woidke eigentlich. Doch nach Ansicht Vieler in seinem Umfeld tut er es zu selten. Foto: OWF

Dietmar Woidkes (SPD) jüngste Pleiten haben sich in Potsdam abgespielt. Dort musste er seine Innenministerin fallenlassen. Dort warf er seinen langjährigen Regierungssprecher aus heiterem Himmel raus. Dort spielten die vielen Scharmützel mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), mit dem sich Brandenburgs SPD seit einem knappen halben Jahr die Regierung teilt.

Man könnte noch die unrühmliche Entlassung der Grünen-Ministerin Ursula Nonnemacher dazuzählen, die Brandenburgs Regierungschef während einer Sitzung des Bundsrats Ende November feuerte. Das geschah zwar in Berlin, aber auch diese Szene gehört in eine Reihe von Ereignissen, die die Schwäche der ostdeutschen Polit-Instanz namens Dietmar Woidke offenbaren. Dem 63 Jahre alten Sozialdemokraten scheint nach zwölf Jahren als Ministerpräsident die Macht zu entgleiten.

Nun ist mit dem Potsdamer SPD-Oberbürgermeister Mike Schubert ein wichtiger Gewährsmann Woidkes abgewählt worden – ohne dass die Regierungspartei einen aussichtsreichen Nachfolger präsentieren könnte. Die Hausmacht der Sozialdemokraten schwindet im Zentrum Brandenburgs. Doch der Schwund begann bereits lange vorher und weiter östlich.

Strukturwandel als Verwaltungs-Kampagne

In Forst im Landkreis Spree-Neiße hat Dietmar Woidke am 22. September sein Direktmandat verloren. Nach 20 Jahren hat ihn sein Heimatwahlkreis Spree-Neiße I abgewählt. Dieser Umstand fand wenig Beachtung in dem allgemeinen Schock, den die Landtagswahl hinterließ. Woidke, dessen knorrige Bodenständigkeit praktisch zur brandenburgischen Hausmarke geworden ist, hatte den Rückhalt seiner Heimat verloren. Und damit auch den seiner Partei, die in der Lausitz auf die schiefe Ebene geraten ist.

Das hat zwei Ursachen: Erstens verlor die SPD mit dem Ja zum Kohleausstieg die Kohlearbeiter. Und zweitens hat es ihr Strukturwandel-Plan nicht vermocht, neue Wählerschichten zu überzeugen.

Dieser Plan, den die Landesregierung seit fünf Jahren umsetzt, basiert im Wesentlichen auf neuen Ansiedlungen großer Industriebetriebe in der Nähe der Kraftwerksstandorte. Damit soll das, was mit Tesla in Grünheide gelungen ist, auf die Lausitz ausgerollt werden. Mit dem Lausitz Science Park im Norden von Cottbus soll sich wiederum das wiederholen, was in Berlin-Adlershof gelungen war: Der Aufbau einer Wissenschafts-Stadt, die hoch bezahlte Jobs bietet und die Industrie bindet.

Diese im Grunde vernünftige Idee hat zwei Probleme: Sie wurde als groß angelegte Verwaltungs-Kampagne auf alle Ebenen hinunterverordnet und gegen alle Beteiligungswünsche aus der Bevölkerung durchgesetzt. Und sie atmet den Geist der Strukturpolitik der 1990er Jahre. Einer Politik also, die in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zwangsläufig war – aber nicht mehr zu den Bedingungen von heute passen mag. Ein Widerspruch, den die Landesregierung nicht zur Kenntnis nimmt.

40 Prozent dagegen

Dabei lassen sich die Folgen sogar beziffern. Annähernd 40 Prozent der Lausitzer Wähler gaben bei den Kommunalwahlen vor einem Jahr ihre Stimme der AfD oder lokalen Initiativen, die gegen konkrete Projekte des Strukturwandels aufbegehren. Bei der Landtagswahl im September fielen die meisten Parteigänger Woidkes durch. Selbst altgediente Wahlkreisabgeordnete verloren ihre Basis. Das wiederholte sich bei der Bundestagswahl im Februar.

Eine schonungslose Analyse dieser Wahlergebnisse muss zu dem Schluss führen, dass ein sattes Drittel der Lausitzer Bevölkerung den Prozess ablehnt, den die Landesregierung konzipiert hat. Doch das hat weder Woidke noch seine Regierung zu Reflexionen oder gar Korrekturen veranlasst. Stattdessen herrscht im inneren Machtzirkel um den Ministerpräsidenten die Ansicht vor, man habe die Segnungen der eigenen Politik noch nicht ausreichend kommuniziert. Es müssten eben nur Prozesse schneller, Neuerungen sichtbarer und Entwicklungen positiver dargestellt werden, dann käme alles in Ordnung.

Das könnte es höchstens dann, wenn Woidke selbst sich um die Darstellung kümmern würde. Doch der Landesvater hat sich seit der Landtagswahl auffällig zurückgezogen. Sein langjähriger Regierungssprecher Florian Engels musste nach gängiger Potsdamer Lesart deshalb gehen, weil er den Chef zu einer offensiveren Öffentlichkeitsarbeit bewegen wollte. An Engels‘ Stelle tritt nun eine frühere Polizeisprecherin aus Cottbus. Für die glücklose Innenministerin Katrin Lange (SPD) fand sich kein Ersatz in der eigenen Partei. Stattdessen macht mit dem Frankfurter OB René Wilke nun ein früherer Linker Innenpolitik im Lande Brandenburg.