Die Lausitz im Fokus von Wind-Investoren

Gemeinden haben grünen Strom als Einnahmequelle entdeckt. Immer öfter werden nun Investoren vorstellig, die Windparks entwickeln wollen. Einige sind gut bekannt. 

von Christine Keilholz

In Schenkendöbern herrscht Goldgräberstimmung. Investoren wollen gleich an mehreren Standorten Windparks errichten. Einen gibt es bereits im Ortsteil Sembten mit zwölf Anlagen und einen mit elf Rädern in Schenkendöbern selbst – dem Hauptort der Gemeinde mit 3500 Einwohnern. Nun soll ein weiterer Windpark bei Lübbinchen dazu kommen. Dort will ein Rinderbetrieb energieautark werden – mit Hilfe von Strom aus Windrädern vom eigenen Grund. 

Der Gemeinderat hat sich mehrheitlich für solche Pläne ausgesprochen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Über Bürgerbeteiligung verdient die Gemeinde direkt mit. Horrorbilder von weißen Wäldern voller Windkraftanlagen, die gleich hinter der Wohnsiedlung Krach und Schatten machen, gibt es in Schenkendöbern zwar noch, aber sie werden weniger, ist Bürgermeister Ralph Homeister überzeugt. „Meine persönliche Meinung: Man kann sich daran gewöhnen. Und man gewöhnt sich auch daran.“ Er habe jedenfalls nicht vor, ganze Ortsteile mit Windrädern zu umzingeln, sagt Homeister. Er will eher ausgleichen zwischen den vielen Interessen, die im Spiel sind, wenn es um die Ausweisung von Windvorranggebieten geht. Ganz klar sieht er das Interesse seiner Gemeinde: Hier locken Einnahmen. 

Schnelligkeit ist der entscheidende Faktor 

Das Gemeindeamt von Schenkendöbern ist nicht das einzige in der Lausitz, wo sich Investoren die Klinke in die Hand geben. Die Energieregion ist in den Fokus der Erneuerbaren Industrie geraten. Dafür spricht viel: Flächen sind vorhanden. Die Sehnsucht nach neuen Einnahmequellen ist angesichts des Kohleausstiegs groß. Und die Förderkulisse durch den Strukturwandel hoch attraktiv. 

„Ich beobachte, dass Investoren unterwegs sind, die in die Lausitzer Windeignungsgebiete drängen“, sagt Maik Bethke. „Hier ist Schnelligkeit ein entscheidender Faktor“ Bethke berät Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, und Kommunen, die nach Investoren suchen. In seinem Metier ist die Goldgräberstimmung mit Händen zu greifen. „Es finden sich Leute zusammen, die dann gemeinsam Windparks und Solarparks bauen. Meist sind das Landeigner zusammen mit Entwicklern und Betreibern. Die kooperieren dann gleich an mehreren Standorten.“ Und sie bekommen politischen Rückenwind. 

Norddeutsche Investoren besonders aktiv 

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien steht jetzt im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. So sagt es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Und so hat es der Bundesrat kürzlich beschlossen. Mit dem Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land will die Ampelregierung gemäß Koalitionsvertrag zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land gewinnen. Das dürfte einer ganzen Branche einen Schub geben, die sich längst schon auf den Weg gemacht hat. Spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist die Notwendigkeit, die Erneuerbaren schnell auszubauen, allgemein anerkannt. Damit ging der Wettlauf um die besten Flächen los. 

Bürgermeister wissen nicht immer sofort, wer da bei Ihnen anklopft und Genehmigungen begehrt. Einige Player sind schon weithin bekannt. Insbesondere die norddeutschen Investoren, die in den Eignungsgebieten an der Nordsee bereits investiert haben. Wie der Entwickler Enercity Erneuerbare. Das Tochterunternehmen der Stadtwerke Hannover betreibt 53 Windparks in ganz Deutschland und hat sich auf stillgelegte Tagebauflächen spezialisiert. Enercity ist etwa an der Planung eines Holzkraftwerks in Schleife beteiligt, zu dem neben Windflächen auch Photovoltaik gehören sollen.  

Landespolitik streitet emotional – Kommunen sind pragmatisch

Aber nicht alle Investoren haben so gute Referenzen. So weckt die Goldgräberstimmung auch die Angst vor dem Raubbau. Die Angst, unter ewig drehenden Rotoren wohnen zu müssen, während ferne Unternehmen damit Geld machen, befeuert lokale Widerstände. Und die sind der größte Widerstand für den schnellen Ausbau, den nun plötzlich alle wollen. Nicht umsonst war das Windrad lange genug der Lieblingsfeind mancher ländlicher Politiker, die sich gern als Schutzpatrone der Heimat gegen das Unbekannte präsentieren. 

Die neuerliche Energiedebatte hat das nicht völlig beendet. Höre man nur in die Landtage, wo heftigst debattiert wird über 1000-Meter-Abstände und Zwei-Prozent-Ausbauziele. In Potsdam peitschte die rot-schwarz-grüne Landesregierung die Abstandsregelungen im Hauruck-Verfahren durch den Landtag. In Dresden ließen sich die Grünen auf Druck der CDU zähneknirschend auf 1000 Meter Abstand ein – in der Erwartung, dass das neue Bundesgesetz mit seinen Ausbauzielen die Regelung des Freistaats wieder über den Haufen wirft. Derzeit sind bundesweit 0,8 Prozent der Flächen für Windenergie an Land ausgewiesen. Nur 0,52 Prozent sind tatsächlich verfügbar. 

Schleife, Spreetal und Schipkau gehen voran 

Auf Landesebene ist die Windkraft lange eine Art Identitätsthema gewesen. Die in der Stadt sind dafür, die auf dem Land dagegen. Dabei sieht man es auf dem Land längst pragmatisch. Wie in Schenkendöbern. Bei einem Gemeindehaushalt von sieben Millionen Euro sind jährlich 40.000 Euro angepeilte Beteiligung am neuen Windpark ein gewichtiges Argument. 

Die Kommunen sind pragmatischer. An der Spitze der Bewegung standen in der Lausitz die Gemeinden Schleife, Spreetal oder Schipkau, die früh auf Bürgerbeiteiligung setzten. Nun ziehen andere nach. „Am größten ist die Akzeptanz da, wo schon Windparks bestehen und keine grundsätzliche Ablehnung mehr besteht“, sagt Berater Bethke. „Dort lässt es sich einfacher erweitern als an anderer Stelle etwas Neues beginnen.

Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 19. Juli 2022.

Sie wollen mehr?

Dann testen Sie das Neue Lausitz Briefing 4 Wochen kostenlos. Sie erhalten

+ alle aktuellen Beiträge dienstags, 6 Uhr, in Ihrem E-Mail-Postfach

+ tiefgründige Recherche zu den Kernthemen der regionalen Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur

+ kritische Analysen, Hintergründe und Zusammenhänge

+ Meinungsbeiträge von namhaften Kommentatorinnen und Kommentatoren

Einfach hier anmelden ↗

Hier sind Sie richtig.
Die Neue Lausitz ist das unabhängige Medium für Kohleausstieg und Strukturwandel.

Wir haben die News, Hintergründe und Analysen aus der dynamischsten Region Deutschlands.