ANALYSE / LANDTAGSWAHLEN IM OSTEN
In Sachsen und Brandenburg gehen fragile Regierungen an den Start. Zwei Ministerpräsidenten haben Rückhalt im Land verloren. Sie werden den Strukturwandel in der Lausitz nicht fortsetzen können, wie sie ihn begonnen haben.
von Christine Keilholz

Die Stimmung war nicht gerade feierlich im Potsdamer Landtag. Letzten Mittwoch klappte Dietmar Woidkes (SPD) vierte Wahl zum Ministerpräsidenten erst im zweiten Anlauf. Als die neuen Kabinettsmitglieder vereidigt waren, ließ sich kaum ein Amtsvorgänger blicken um zu gratulieren. Die CDU-Kollegen blieben fern. Die beiden Minister von den Grünen waren ohnehin bereits ausgeschieden. Das war kein schöner Abschied für Brandenburgs vorerst letzte Mitte-Koalition.
In seiner neuen Regierung hat Woidke es mit einer entlaufenen Genossin zu tun, die nun für das Bündnis Sahra Wagenknecht Gesundheitsministerin geworden ist. Brandenburgs SPD muss die nächsten fünf Jahre mit einer knappen Mehrheit und einem schwer kalkulierbaren Partner regieren. Gleich am ersten Tag hat das BSW die Zähne gezeigt, indem es Woidke die nötigen Stimmen für einen souveränen Start verweigerte.
In Sachsen ist die Lage der CDU noch prekärer. Dem Bündnis mit der SPD fehlen im Dresdner Landtag zehn Stimmen zur Mehrheit. Die Wahl Michael Kretschmers an diesem Mittwoch wird spannend, denn der Ministerpräsident seit sieben Jahren hat es mit womöglich zwei Gegenkandidaten zu tun. In beiden Lausitz-Ländern müssen sich zwei bisherige Staatsparteien auf neue Regierungsverhältnisse einstellen. Sie müssen ihre Ziele mit Partnern und Opposition aushandeln. Das muss klappen, denn in den nächsten Jahren kommt es auf besonnenes und planvolles Handeln an.
Traditionelle Milieus wenden sich ab
Das zeigt sich in der Lausitz, wo beide Ministerpräsidenten ihre Heimat haben. Im Bewusstsein, hier über eine sichere Hausmacht zu verfügen, konnten Woidke und Kretschmer bisher großen Spielraum bei der Zukunftsgestaltung der Kohleregion beanspruchen. Woidke will aus der Niederlausitz eine grüne Industrieregion machen, Kretschmer aus der Oberlausitz eine Wissenschaftsregion nach bayerischem Vorbild.
Diese Pläne gingen bisher ohne nennenswerte Abstriche durch – abgesehen von der Bürgerbeteiligung, die sie nachträglich in ihre Pläne einbauen mussten, weil die Zivilgesellschaft Mitsprache einfordert. Beide Regierungschefs hatten es mit Koalitionspartnern zu tun, die die Strukturwandel-Pläne im Großen und Ganzen teilten. Und bis auf die AfD, die den Kohleausstieg für falsch und Klimawandel für Unsinn hält, galt das sogar für die Oppositionsparteien. Das dürfte sich nun ändern, da in Brandenburg das BSW mitregiert, das Investitionen in die Bundeswehr kritisch sieht.
Die Machtverhältnisse ändern sich, weil die Parteien ihre gewohnten Milieus verlieren. In Brandenburg ist die SPD nicht mehr erste Wahl der Arbeiterschaft, die sich mit ihrer Transformations-Skepsis bei der AfD besser aufgehoben fühlt. Sachsens CDU punktet immer weniger bei den heimatverbundenen, vereinsaktiven Bürgern in den Dörfern und kleinen Städten. Immer mehr Unternehmer und Selbständige machen ihr Kreuz bei der AfD. Landwirte haben in freien Wählervereinigungen ihr politisches Zuhause gefunden. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind immer öfter parteilos. Das schwächt das Wurzelwerk der regierenden Parteien und die Machtbasis ihrer Ministerpräsidenten.
Linke unterstützt CDU
In der Folge werden sich die Regierungsstile in Potsdam und Dresden ändern. Woidke und Kretschmer müssen sich daran gewöhnen, Macht zu teilen. Sogar mit Partnern, denen man bisher aus dem Weg ging. Wenn Sachsens CDU im Landtag Gesetze beschließen will, wird sie auf die Stimmen der Linken nicht verzichten können. Dabei gehört für viele ältere Christdemokraten in Ostdeutschland der saubere Sicherheitsabstand zu den Nachfolgern der SED seit 35 Jahren zum guten demokratischen Ton. Das erste Signal der Annäherung kam jüngst aus Erfurt, wo der CDU-Mann Mario Voigt nur Ministerpräsident wurde, weil die Linken ihm Stimmen gaben.
Man wird sich bewegen müssen, wenn man etwas bewegen will. Auch in Brandenburg, wo Dietmar Woidke bei nur vier Parteien im Landtag wenig Auswahl an Verbündeten hat. Rüde Kraftdemonstrationen – wie jüngst der Rausschmiss der grünen Gesundheitsministerin auf offener Bühne – gehen dann nicht mehr.