Erste Klasse in Löbau

13. Februar 2024

ANALYSE / LEHRERAUSBILDUNG IN DER LAUSITZ

Nach Senftenberg wird nun auch Löbau als Ort der Lehrerausbildung in der Lausitz ausgebaut. Allerdings weit bescheidener als auf brandenburgischer Seite. Es geht nicht um innovative pädagogische Ansätze – sondern um Klebeeffekte für die Region.

von Christine Keilholz

In Löbau verbringen bald angehende Oberschullehrer einen Teil ihres Vorbereitungsdienstes. Ob das zu mehr Herzensbindung an Ostsachsen führt, ist noch offen. Foto: Stadt Löbau
In Löbau verbringen bald angehende Oberschullehrer einen Teil ihres Vorbereitungsdienstes. Ob das zu mehr Herzensbindung an Ostsachsen führt, ist noch offen. Foto: Stadt Löbau

Löbau kann sich glücklich schätzen. In der 15.000 Einwohner-Stadt im Kreis Görlitz werden ab August dringend benötigte Referendarinnen und Referendare ausgebildet. Die jungen Leute sollen in Oberschulen und in der Sonderpädagogik zum Einsatz kommen. Die gute Nachricht aus dem Kultusministerium kam kurz vor Beginn der Winterferien. Löbau hat vier Grundschulen, eine Oberschule und ein Gymnasium. Der Mangel an Lehrkräften ist in der Stadt allgegenwärtig. „Wir merken, dass an allen Grundschulen der Personalbedarf da ist“, sagt Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (parteilos). Das wird in den kommenden Jahren nicht besser werden, erwartet der 58-jährige Rathauschef. „Bei den Lehrern kriegen wir viele Abgänge in den nächsten Jahren, das höre ich immer wieder.

Deshalb will die Staatsregierung die Ausbildung in die Fläche bringen. „Wir wollen nichts unversucht lassen, um mehr angehende Lehrerinnen und Lehrer frühzeitig an eine Region zu binden, die händeringend Nachwuchs sucht“, sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) bei der Vorstellung der Pläne am Freitag in Löbau. Piwarz setzt auf den berühmten Klebeeffekt. Will sagen: Wenn die angehenden Pädagogen schon im Studium die Liebe zu bedürftigen Regionen entdecken, bleiben sie vielleicht für den ersten Job dort kleben. Damit hätte die Schulverwaltung es auf lange Sicht leichter, ihr größtes Problem zu lösen: Bewerber aus den Großstädten herauszulocken.

Frühzeitige Bindung gegen den Mangel

Kultusminister Piwarz ist stets bedacht, von „Lehrerbedarf“ statt von „Lehrermangel“ zu sprechen. Gemeint ist das Gleiche. In Ostsachsen ist der Mangel greifbar. 105 Lehrerstellen konnten in den Kreisen Bautzen und Görlitz zu Beginn des laufenden Schuljahrs besetzt werden. Mittlerweile seien noch ein paar Einstellungen dazugekommen, heißt es aus dem Ministerium in Dresden. Man konnte allen Bewerbern eine Stelle anbieten. Umgekehrt ist man wiederum sehr darauf bedacht, nicht über frei gebliebene Stellen zu sprechen. Nur so viel: „Wir hätten auch für die Region Bautzen auch mehr einstellen können.

Lehrermangel im ländlichen Raum wird nicht selten als Vorstufe zum Staatsversagen interpretiert. Wenn ausgerechnet jener Bereich des öffentlichen Dienstes, mit dem viele Menschen täglich zu tun haben, an Anämie leidet, weckt das Zweifel am Funktionieren der Institutionen. „Lehrermangel ist eines der großen Probleme“, sagt Bautzens Landrat Udo Witschas (CDU). „Es ist neben der medizinischen Versorgung eines der Hauptanliegen, die wir bei den monatlichen Bürgergesprächen des Landrates von den Menschen hören.

Lehrermangel ist auch ein Ergebnis von Jahren falscher Planung. Zu lange ging man davon aus, dass Schülerzahlen sinken und ein schlanker Lehrkörper wurde das Ziel politischer Maßnahmen. Zu spät merkten die Kultusbehörden, dass wieder mehr Kinder die Klassenräume füllen. Das war vor etwa zehn Jahren. Zuerst merkten es die östlichen Flächenländer. Mittlerweile ist der Mangel in allen 16 Bundesländern angekommen, die sich nun die Lehramtsabsolventen gegenseitig abjagen.

Der Mangel hat die Machtverhältnisse in der Lehramtsbranche umgekehrt. Wie überall treten auch hier junge Fachkräfte fordernder auf. Und sie wollen nun mal lieber nach Leipzig als nach Löbau. In der Not haben die Kultusminister den Zunft- und Gildezwang der Lehrkräfte aufgehoben. An Seiteneinsteiger vor den Klassen hat sich die zunächst empörte Öffentlichkeit längst gewöhnt. Damit ist auch der Lehrberuf zu einer realistischen Jobalternative für Ingenieure oder Wissenschaftlerinnen geworden.

Über die Jahre konnten nicht wenige dieser Berufspraktiker nun auch einige Schülerbiografien erfolgreich mitgestalten. Das hat die Minister zu noch kühneren Ideen verleitet, etwa Bachelor-Absolventen als grundständige Lehrer zu bestallen. Geblieben ist allerdings das Problem, die Schulen auf dem Land mit Personal zu versorgen. Dazu erklärt Stephan Meyer (CDU), Landrat des Landkreises Görlitz: „Wir brauchen eine frühzeitige Bindung der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer an die Region.

Bewerbung bis zum 1. März

Ob das Klebekalkül aufgeht, lässt sich noch nicht sagen. Die entsprechenden Programme wirken noch nicht lange genug. Optimistisch ist Juliane Noack Napoles. „Ich habe viele junge Leute kennengelernt, die gesagt haben: Eingentlich wollte ich Lehramt studieren, ich wollte aber nicht die Region verlassen, also habe ich Soziale Arbeit genommen“, sagt die Professorin von der BTU Cottbus-Senftenberg. „Das ist ein Problem für Schule und für Region. Wer in der Heimat bleiben will, kann kein Lehramt studieren.“ Noack Napoles ist dabei, das zu ändern. Sie hat in Senftenberg die Grundschullehrer-Ausbildung aufgebaut. Seit einem halben Jahr studieren dort junge Leute Lehramt.

Der Lehramts-Studiengang in Senftenberg ist mustergültig dafür, in kürzester Zeit ein universitäres Angebot zu schaffen. Es sei „der deutschlandweit schnellste Studiengang, der jemals eröffnet worden ist“, so lobte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) auch sich selbst, als der Studiengang nach nur zehn Monaten einsatzbereit war. Auch Brandenburg braucht dringend Lehrernachwuchs. Kurz nach Anbruch des zweiten Schulhalbjahrs sind in den brandenburgischen Lausitz-Kreisen 55 Lehrerstellen ausgeschrieben, die noch nicht besetzt werden konnten.

Im sächsischen Löbau verbringen bereits seit 2019 angehende Grundschullehrkräfte einen Teil ihres Vorbereitungsdienstes an einer Ausbildungsstätte des Landesamtes für Schule und Bildung. Seitdem haben 213 Referendarinnen und Referendare ihre Ausbildung absolviert. Nun kommen die Anwärter für die Oberschulen und Sonderpädagogik dazu. Bis zum 1. März können läuft die Bewerbungsfrist für den Vorbereitungsdienst. Die Ausbildung soll im August zunächst in der vorhandenen Ausbildungsstätte in Löbau starten. Aber die Immobilienverwaltung des Freistaats sucht bereits nach einem größeren Gebäude in der Stadt.