ANALYSE / REGIERUNGSBILDUNG IN BERLIN
Kanzler in spe Friedrich Merz (CDU) will tun „whatever it takes“, um die Verteidigung Deutschlands sicherzustellen. Die SPD will klotzen statt kleckern, damit die Infrastruktur wieder fit wird. Was ist bei diesen vollmundigen Ankündigungen für die Lausitz drin?

von Christine Keilholz
Der Klimaschutz, der den Kohleausstieg nötig macht, war bei der Bundestagswahl kein bestimmendes Thema. Nun macht sich in der Lausitz die Sorge breit, die Anliegen der Reviere könnten in Berlin aus dem Blickfeld geraten. Andererseits hat die Lausitz durch das, was der Strukturwandel bis jetzt geschaffen hat, gute Voraussetzungen, um für die wahrscheinlich nächste Bundesregierung zu einer Schlüsselregion zu werden. Doch dafür müssen CDU und SPD jetzt einige Dinge richtig machen. Wir haben ein paar wichtige Punkte zusammengestellt:
Ja zum Strukturwandel erneuern
Die neue Bundesregierung muss sich zum Kohleausstieg und zum Strukturwandel bekennen. Der Bund muss deutlich erklären, dass die 40 Milliarden Euro für die Reviere über die nächsten 13 Jahre auch fließen. Es darf kein Zweifel bestehen, dass die Lausitz den zugesagten Anteil von 17,1 Milliarden Euro auch bekommt und damit die Möglichkeit bekommt, das Ende der Braunkohle im Jahr 2038 ohne Blessuren zu bewältigen.
Energiewende durchziehen
Ebenso wichtig ist ein Bekenntnis zu Kohleausstieg. Eine neue Bundesregierung muss betonen, dass es eine gesamtgesellschaftliche Einigung war, die Kohleverstromung aufzugeben. Für es gute Gründe gab, die nach einem Regierungswechsel nicht einfach wegfallen. In der Lausitz sehen nicht wenige den Kohleausstieg als ein Stück ideologisch betriebener Klimapolitik, die nach dem Ende der grünen Regierungsbeteiligung abgeräumt gehört. Dem muss die CDU, die sich im Wahlkampf so inbrünstig an grüner Energiepolitik abgearbeitet hat, dringend widersprechen. Die CDU kann sich darauf konzentrieren, die Energieversorgung in der Region nachhaltig zu gestalten. Derweil sollte sich die SPD darum kümmern, dass das Soziale bei der Transformation nicht zu kurz kommt.
CDU und SPD haben sich darauf geeinigt, die Kraftwerksstrategie zu überarbeiten, um bis 2030 Gaskraftwerke mit 20 Gigawatt zu errichten. Das ist deutlich mehr als die 12,5 Gigawatt, die die Ampel-Koalition geplant hatte. Allerdings muss ein solcher Aufwuchs noch von Brüssel genehmigt werden.
Grüne Technologien fördern
Der Kohleausstieg und all die Kompensationen, die mit ihm kamen, sind für die Lausitz längst zu einem Standortfaktor geworden. Der Ausbau der Erneuerbaren kombiniert mit Strukturpolitik hat die Lausitz wirtschaftlich interessant gemacht und einen Boom beschert. Auch wenn manches mehr boomt, als es den Kommunen lieb ist. Deshalb muss der Bund nachjustieren beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. Der unbedingte Vorrang für den Windkraft-Ausbau hat die Menschen auf dem Land aufgebracht und politisches Vertrauen gekostet. Um das wiederzubekommen, braucht es klare Regelungen für Investments und Bau von Energieanlagen.
Die Abhängigkeit von der Braunkohle ist in der Lausitz so weit zurückgedrängt, dass das Braunkohleunternehmen Leag längst massiv in Erneuerbare investiert. Schon allein das zeigt: Der Kohleausstieg wirtschaftlich der richtige Weg. Die Klimapolitik Europas und Deutschlands öffnet der Lausitz die Tür zu neuen Industrien. Die Entscheider der Region haben das begriffen. Das zeigen die Bemühungen um das Net Zero Valley, die von Kommunen und Kammern vorangetrieben werden. Die grüne Transformation kann ein Gewinn für die Region sein, wenn sie es richtig anpackt, schnell ist und Engagement zeigt.
Industrie und Mittelstand versöhnen
Einen Industriestrompreis wollen CDU und SPD einführen. Dabei sollten allerdings nicht die mittelständischen Unternehmen vergessen werden, die den Großteil der Lausitzer Wirtschaft ausmachen. In den kleineren Betrieben ist Unmut über die Jahre gewachsen, weil man sich dort vom Strukturwandel und seinen Segnungen -Bahnwerk, Medizin-Universität oder Forschungsförderung – nicht mitgenommen fühlt. Die Bundespolitik muss eine neue Ansprache finden für diesen Teil der Wirtschaft, der am meisten unter Fachkräftemangel, Bürokratie und steigenden Strompreisen leidet. Die Bürokratiekosten für die Unternehmen will die kommende Koalition um 25 Prozent reduzieren. So sollen Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten wegfallen, was Aufwand und Personal sparen kann.
Beide Parteien sollten Investitionen in Infrastruktur und Bildung priorisieren, um die Region für neue Industrien attraktiv zu machen – die SPD mit dem Fokus auf soziale Aspekte und Chancengleichheit, während die CDU wirtschaftliche Anreize und die Ansiedlung von Unternehmen nach vorn stellt.
Bahnstrecken als Infrastrukturprojekte finanzieren
Die künftigen Koalitionäre wollen 500 Milliarden Euro für Infrastruktur ausgeben. Das wird nötig sein, um Straßen, Brücken und Schienen über die nächsten Jahre zu retten. Für Regionen in der Transformation allerdings Zubau unerlässlich. Die Lausitz wartet noch immer auf wichtige Schienenverbindungen. Görlitz muss von Berlin und von Dresden her angebunden werden, um als Drehscheibe für den Verkehr Richtung Osteuropa zu funktionieren.
Das Anbinden des ländlichen Raums ist von gesamtdeutschem Interesse. Die Lausitz als Tor zu Osteuropa ist von europäischem Interesse. Das wurde vom Bund und von Bahn-Managern zu lange vergessen. Solche Ignoranz kann sich die neue Bundesregierung nicht leisten. Wegen der dramatischen Kriegsgefahr rückt Osteuropa stärker in den Fokus. Damit ergeben sich neue Prioritäten für die Sicherheitspolitik und den ostdeutschen Grenzregionen kommt eine besondere Rolle zu.