Bau-Professor Curbach will das Großforschungszentrum

Die Lausitz braucht eine Perspektive nach der Kohle. Das Bauen braucht eine Perspektive nach dem Beton. Manfred Curbach von der TU Dresden hat dafür ein Konzept mit Stil, die „Lausitz Art of Building“. Damit ist er Anwärter auf ein heiß umkämpftes Millionenprojekt.

Von Christine Keilholz

Manfred Curbach glaubt an das nachhaltige Bauen. In der Lausitz will er es entwickeln. Das ist dringend nötig, sagt der Professor aus Dresden, der die Disziplin Massivbau vertritt. Die Lausitz braucht eine Perspektive nach der Kohle, das Bauen braucht eine Perspektive nach dem Beton. Das passt gut zusammen. Deshalb hat sich Curbach mit dem Konzept „Lab – Lausitz Art of Building“ für das Großforschungszentrum beworben, um das verschiedene Kandidaten konkurrieren. Falls der 65-jährige Curbach im Herbst den Wettbewerb gewinnt, ist das die Chance, ein weltweit einzigartiges Zentrum für das Bauwesen zu etablieren. Der Standort wäre irgendwo zwischen Dresden und Zittau. 

Das Bauen der Zukunft ist zwar ein Thema in der Debatte – aber in der Forschung läuft es eher klein. „Die Welt braucht neue ressourceneffiziente und klimaneutrale Werkstoffe“, sagt der Bauingenieur. Sein LAB will einen Missstand des modernen Lebens beheben, der weithin unterschätzt wird: Bauen, wie wir es praktizieren, verschlingt einen Teil des Planeten für hässliche Gebrauchsarchitektur. Dagegen will Curbach in der Lausitz anforschen – und eine Modellregion für nachhaltiges Bauen etablieren. 

Bauen in der deutschen Forschung unterbelichtet

Etwas Derartiges gibt es nirgends in der Welt, behauptet der Professor aus Dresden. Ein bisschen werde zwar überall geforscht – aber nicht konzentriert. Jedenfalls nicht in Form einer Groß-Einrichtung mit 1500 Forschern und Spezialisten. Das könnte Curbach realisieren, wenn er den Zuschlag für eines der beiden Großforschungszentren bekommt, die in Sachsens Kohlerevieren entstehen sollen. Diese beiden Einrichtungen – eine in Mitteldeutschland und eins in der Lausitz – werden die  Gigafabriken der Wissenschaft. Jede ist ausgelegt für 1800 Mitarbeiter und ausgestattet mit 175 Millionen Euro pro Jahr. Das Geld fließt größtenteils aus dem Strukturwandel-Topf des Bundes mit dem Ziel, neue Wirtschaftskraft für die Zeit nach der Kohle zu schaffen. 

1500 Wissenschaftler an einem Ort, die nur an der Zukunft des Bauens forschen, das ist Manfred Curbachs Traum. Und es ist bitternötig, um etwa Alternativen zum Klimakiller Beton zu finden, sagt der Massivbau-Professor aus Dresden. Foto: TUDD

Das LAB soll neue Perspektiven bringen, auch für Curbachs Disziplin. Nachhaltiges Bauen ist zwar ein sehr großes Thema in der Debatte, aber nicht in der Forschung. Bauinvestitionen machen zwar 10,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus, aber im Etat des Forschungsministeriums nur 0,26 Prozent. Bauen steht im Schatten spektakulärer Technologiebereiche – wie der Astroforschung, die sich auch um das Großforschungszentrum bewirbt. Aber das ist eine Frage der Sichtweise. Bauen ist ein Zukunftsthema in Zeiten des Klimawandels. Die Bauindustrie ist weltweit für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. „Wenn wir bis 2045 klimaneutral werden wollen, dann muss dieser Wert runter auf null Prozent“, sagt Curbach. Die vorhandene Forschung könne das schon allein zeitlich nicht schaffen, um bis 2045 alle nötigen Antworten zu haben. „Was wir brauchen, sind 100 Ideen, selbst wenn davon nur 20 Prozent aufgehen.“ 

Neuer Massenwerkstoff muss her

Das fängt schon beim Baumaterial an. Holz ist zu wenig da. Sand ist zum Raubgut geworden. Zement ist angesichts schwindender Ressourcen und Klimaveränderungen nicht mehr vertretbar. „Beton, wie wir ihn verwenden, ist tot“, sagt Curbach. Seine Hoffnungen liegen auf Carbon und Glas. Das Wichtigste aber: Ein neuer Massenwerkstoff muss her, der nichts mehr mit Zement zu tun hat. Curbachs Konzept integriert die modernsten Ansätze der Materialforschung, der Produktionstechnologien und der Digitaltechnologien.

Manfred Curbach hat in Karlsruhe promoviert und kam 1994 als Professor nach Dresden. Er hat den Aufbau der Ost-Forschung miterlebt, die nun mit den Großforschungszentren eine nie dagewesene Chance bekommt. Eine Ausschreibung wie diese hat er noch nicht erlebt. Viele seiner Fachkollegen, sagt er, hätten abgewunken mit der Bemerkung, „das ist zu groß für uns“. Ihn hat das nicht abgeschreckt. Er hängte sich sofort ans Telefon und versuchte, Partner zu gewinnen. „Ich würde mir nicht verzeihen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde, hier ein Angebot abzugeben.“ 

Neue Hightech-Industrie in der Oberlausitz

Der gebürtige Dortmunder steht damit für eine ostdeutsche Wissenschaft, die selbstbewusst geworden ist. Mit der Exzellenz-Universität TU Dresden im Rücken hat er in Dresden zwei Firmen gegründet, die seine Forschungsergebnisse umsetzen. Gerade entsteht in Dresden das innovative Haus „Cube“ – das weltweit erste Gebäude, das ohne metallische Bewehrung auskommt und stattdessen allein auf Carbon setzt. Der Werkstoff ermöglicht freiere Formen und schwungvolle Architektur.

Solche Ansätze können auch ein Großforschungszentrum bespielen und Magnet für eine Bauindustrie sein, die sich in ihrem Umfeld ansiedelt. Ein ganzes Ökosystem könnte entstehen mit Firmen, die sich erst mit Forschung, dann mit Produktion befassen. Damit würden in der Oberlausitz neue Baustoffe entstehen. Dort könnten Handwerker neue Techniken erproben. Curbach spricht von einer „neuen Hightech-Industrie“, die bis zu 10.000 Arbeitsplätze schaffen könnte.

Erste Früchte hat das LAB bereits hervorgebracht. Einige US-amerikanische Unis haben bereits bei ihm angeklopft, die gern mit dem LAB kooperieren möchten. In den USA wurde Jahrzehnte nicht in Bauforschung investiert, weil Bauen als „not sexy“ galt. Jetzt hoffen die amerikanischen Forscher auf die Lausitz. „Plötzlich gäbe es in der Oberlausitz ein Forschungszentrum, das weitaus besser ist als alles, was es in Westdeutschland, Europa und der ganzen Welt gibt.“