Mehr als 1000 digitale Schulbücher können ukrainische Flüchtlingskinder demnächst in Sachsen nutzen. Kultusminister Christian Piwarz bekam Hinweise von gut informierter Seite.
Von Christian Füller
In Sachsen können ukrainischer Flüchtlingskinder demnächst mit eigenen Schulbüchern lernen. Der Freistaat hat alle digital verfügbaren Schulbücher aus dem Kriegsland gesichert. Schon bald soll der Fundus für Lehrerinnen und Lehrer nutzbar sein. Die PDFs sind über den sächsischen Bildungsserver verfügbar. „Das haben die ukrainischen Schulbehörden gut gemacht“, sagte ein Referent der Schulverwaltung in Sachsen zu Neue Lausitz, „diese Bücher sind digital leicht zu nutzen. Ich blättere gerade in einem der PDFs.“
Digitale Schulbücher wären eine große Hilfe im bevorstehenden Unterricht für ukrainische Kinder. Die deutschen Kultusminister erwarten Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Schülerinnen und Schüler, die vor dem Krieg fliehen. Die Minister wollen sogar ukrainische Lehrerinnen und Lehrer einstellen, damit diese mit den Schülern aus Charkiv, Mariupol oder Kiew in ihrer Muttersprache lernen können. Die Lehrkräfte aus der Ukraine könnten auch als Seiteneinsteiger oder als Aushilfskräfte eingestellt werden, sagte etwa Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). In Sachsen hat man sich entschlossen, die lehrbefähigten Ukrainer nach einem vereinfachten Blitzverfahren einzustellen.
Hinweis aus der ukrainischen Community
Die Information über die offen zugänglichen digitalen Lernmaterialien kam direkt aus der Bevölkerung. Am 4. März waren Vertreter der ukrainischen Community Sachsens bei Bildungsminister Christian Piwarz (CDU), darunter ein ehemaliger Schulleiter aus der Ukraine und eine Lehrerin, die inzwischen ukrainisch in Dresden lehrt. Sie gab den Hinweis, dass alle Lernmaterialien in der Ukraine digital verfügbar sind. Piwarz ordnete darauf hin an, die Lernmaterialien zu sichern.
Im Vergleich zu Deutschland hat die digitale Verfügbarkeit ukrainischer Lernmaterialien keinen kleinen Vorsprung. Hierzulande ist bislang nur ein Bruchteil der Schulbücher digital zu haben. Inzwischen haben die sächsischen Bildungsbehörden begonnen, die Materialien aus der Ukraine zugänglich zu machen. Über 1200 Lehrwerke sind direkt über die sächsische MeSax Mediathek erreichbar. Der Link führt zum ukrainischen Server shkola.in.ua/1202-matematika-1-klasc-skvortsova-2018.html. Die Lernmaterialien sind damit zugriffsfähig.
Medieninstitut bearbeitet ukrainische Lernwerke
Wie Neue Lausitz erfuhr, wurden diese ukrainischen Lernmaterialien nun auch an anderer Stelle komplett herunter geladen. Sie werden gerade mit so genannten Metadaten versehen, also Schlagworten und Suchbegriffen. Das macht das „Medieninstitut der Länder FWU“ in München. Das bedeutet, Lehrerinnen und Lehrer können bald über die bundesweite Plattform Lernmaterialien-Plattform Mundo gezielt nach ukrainischen Lehrwerken suchen, die für die jeweilige Klassenstufe und nach Fächern geordnet sind. Ein Sprecher der FWU bestätigte, dass auch dort alle online verfügbaren ukrainischen Lernmaterialien vorhanden sind. Man bemühe sich nun darum, die rechtlichen Fragen zu klären. Dann könnten Lehrkräfte die Materialien ohne Bedenken nutzen.
Mit der ukrainischen Online-Bibliothek alleine ist allerdings eine schulische Integration der Geflüchteten nicht zu bewerkstelligen. Zwar begrüßte es Christian Schäfer-Hock vom Dresdner Ausländerrat, „dass man in Sachsen nun ukrainische Lernmittel online verwenden kann. Das hilft – neben den deutschen Sprachkursen -, den Bruch in der Bildungsbiografie der geflüchteten Kinder und Jugendlichen nicht zu groß werden zu lassen.“ Der Geschäftsführer des Ausländerrates legt allerdings Wert darauf, dass dann auch eine echte Barrierefreiheit für alle Nutzerinnen bestehen muss. „Das bedeutet, man muss sicherlich in die digitale Ausstattung der Schulen und auch der geflüchteten SchülerInnen investieren“, sagte Schäfer-Hock zu Neue Lausitz.
Ukrainer sollen Lehrer werden – und Syrer auch
Der Integrationsexperte findet es auch richtig, ukrainische Lehrkräfte unkompliziert in Sachsen einzustellen. Er weist aber daraufhin, „dass nicht der Eindruck entstehen darf, es gebe in Deutschland Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. Konkret heißt das: auch syrische und arabisch sprechende Lehrkräfte sollten in die Klassenzimmer Einzug halten.“
Es könnte allerdings sein, dass all diese guten Voraussetzungen für die Integration nicht ausreichen. Aus dem sächsischen Parlament erfuhr Neue Lausitz, dass die schiere Zahl der geflüchteten Kinder die räumlichen Kapazitäten in den Schulen wahrscheinlich sprengen wird. Insgesamt habe Sachsen Platz in seinen Schulen für rund 4000 geflüchtete Schülerinnen und Schüler. Allein im Landkreis Nordsachsen wurden bereits 900 gezählt. Der Ukraine-Krieg hat auch bildungspolitisch nicht vorhersehbare Auswirkungen.