Wer geduckt durch die Welt geht, wird nicht gesehen. Das gilt auch für Regionen, ist die Politikerin Laura Staudacher überzeugt. Die Lausitz muss ihre Stärken besser vermarkten, sonst verliert sie den Wettbewerb um die klugen Köpfe – und um die eigene Jugend.
Gastkommentar von Laura Staudacher
Würden Sie gern Ihre Ausbildung in der dümmsten Stadt Deutschlands absolvieren? Für die meisten wird es wenig verlockend sein, sich gerade jenen Ort für die berufliche oder akademische Bildung auszuwählen, an dem denkbar wenig Intelligenz zu finden ist. Leider war aber genau das die Botschaft, die 2016 bundesweit in den Medien lief: Cottbus ist die deutsche Großstadt mit dem niedrigsten IQ. Wie viel an diesem Ergebnis dran ist – das sei dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass sich dieser Artikel einreiht in eine anhaltende Negativberichterstattung über die Lausitz in den bundesweiten Medien: rechte Netzwerke, Arbeits- und Perspektivlosigkeit nach der Wende und in Zukunft durch den Kohleausstieg. Zuletzt kamen noch aggressive Corona-Demonstranten dazu.

Laura Staudacher, 24, ist geboren und aufgewachsen in der Lausitz. Nach ihrem Lehramtsstudium an der TU Dresden ist sie wieder nach Forst gezogen und leitet von dort das Abgeordnetenbüro des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesbildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP). Staudacher ist Mitgründerin des Vereins „Junge Lausitz“, der die Interessen junger Menschen sichtbar machen und eine Imagekampagne für die Lausitz starten will. Der Verein stellt sich bei einem Kick-off-Treffen am 31. März, 18.30 Uhr, im Startblock Cottbus, Siemens-Halske-Ring 2, der Öffentlichkeit vor.
Man könnte all das an sich abprallen lassen. Wir Lausitzer kennen die Probleme und Schwächen der Region. Wir wissen aber auch vieles in der Region zu schätzen. Doch es geht hierbei um deutlich mehr als um gekränkten Heimatstolz. Es ist ein großes Problem, wenn eine Region für junge Menschen und Fachkräfte zur No-go-Area wird. Denn nur wenn Menschen die Lausitz als ihren Arbeitsplatz und Lebensmittelpunkt wählen, hat die Region eine Zukunft. Nur dann gibt es hier Wirtschaft, Kultur und öffentliches Leben. Als Lausitz müssen wir nicht in den Wettbewerb mit Berlin, Hamburg oder Köln treten. Wir müssen uns aber schon die Frage stellen, warum junge Menschen auf ihre Wunschlisten für Ausbildung und Studium Städte wie Heidelberg, Marburg oder Göttingen schreiben – aber eben nicht Cottbus. Als Lausitzer können (und müssen) wir einiges tun, um das in Zukunft zu ändern.
Wilde Möhre und flotte Verwaltung
Das Grundproblem ist das Image der Lausitz. Es muss als gemeinsame Aufgabe von lokaler Politik und Verwaltung, aber auch von regionaler Kultur und Presse sein, die positiven Geschichten aus der Lausitz zu erzählen. Es gibt sie doch: Denken wir nur an die besonderen wirtschaftlichen Erfolge aus der Region wie den Hidden Champion Kjellberg in Finsterwalde, die Kult-Marke Kunella oder den Fan-Artikel-Shop Elbenwald. Reden wir die Uni Cottbus nicht klein, sondern verstehen wir es als Chance, dass sich der Wunsch vieler Studierender nach individuellerer Betreuung an einer kleinen Universität deutlich besser erfüllen lässt als an Massenunis in anderen Städten. Erzählen wir, dass Cottbus eine der wenigen Großstädte ist, in der Frauen nicht strukturell weniger, sondern sogar durchschnittlich etwas mehr als Männer verdienen. Laden wir Bekannte und Freunde auf das Cottbuser Filmfestival, die Wilde Möhre oder das Fantasy-Festival von Elbenwald ein und bringen wir Ihnen so die wunderschöne Lausitzer Landschaft näher.
Natürlich lockt nicht nur ein gutes Image junge Menschen in die Lausitz. Aber so hat man zumindest einen Fuß in der Tür. Wenn die Tür dann ganz aufgestoßen wird, müssen wir auch beste Rahmenbedingungen für Ausbildung, Beruf und Leben bieten. Dafür müssen im ersten Schritt junge Menschen, die sich für die Region entschieden haben, stärker in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden. In unseren kommunalen Parlamenten sieht man nur wenige junge Gesichter. Jetzt sind aber keine graubärtigen Verwalter des Status quo gefragt, sondern Menschen mit Visionen.
Die Silicon-Lausitz ist kein Traum
Bei der Bewältigung des Strukturwandels wird es nicht reichen, nur auf die bestehende Kompetenz in der Energiewirtschaft zu setzen. Wir sollten den Umbruch und das Geld, das durch den Strukturwandel zur Verfügung steht, nutzen, um die Lausitz zu einer Innovationsregion zu machen. Der Lausitz Science Park und die Universitätsmedizin sind dafür bereits grandiose Projekte, um attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Da geht aber noch mehr: Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht Freiheitszonen vor, also Regionen, die als Reallabore eine besonders innovationsfreudige Regulatorik haben. Die Lausitz sollte eine dieser Freiheitszonen sein. Zusätzlich könnte die Lausitz zur Modellregion für eine moderne Verwaltung, innovative Mobilität oder Social Impact werden. Die Möglichkeiten sind groß und vielfältig. Halten Sie mich nicht für größenwahnsinnig, aber: Das Silicon Valley liegt nicht viel weiter von San Francisco entfernt als die Lausitz von Berlin. Und auch ins Valley wollte früher niemand ziehen.
Arbeitslosigkeit wird nicht das größte Problem der Lausitz nach dem Kohleausstieg sein. Gerade junge, gut ausgebildete Menschen werden in Zeiten des Fachkräftemangels nicht in der Region ausharren, sondern sie verlassen, wenn sich keine Perspektive vor Ort bietet. Laut Lausitz-Monitor kann sich fast jeder zweite 18- bis 29-Jährige vorstellen, die Lausitz innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verlassen. Menschen in der Region zu halten und sie auch von außerhalb in die Region zu locken, wird die große Herausforderung für die kommenden Jahre. Wem das Silicon Valley als Vision ein bisschen zu groß ist, dem biete ich Folgendes an: Cottbus als junges Zentrum der brandenburgischen Lausitz, soll zu einem „Heidelberg des Ostens“ werden. Das bedeutet gute Möglichkeiten für Studium und Beruf, es bedeutet, dass hier Spitzenforschung zu Hause ist, Wohnen attraktiv und günstig ist und die Lebensqualität hoch. Die Lausitz soll eine Region sein, der man nicht den Rücken kehrt, sondern in die man aktiv zieht.