Auf Öl und Gas verzichten und trotzdem klimaneutral werden, das geht, ist Ricarda Budke überzeugt. Im Interview mit Neue Lausitz sagt die Grüne, warum sie die Lausitzer Kohle als Alternative zu Putins Gas untauglich findet.
Frage: Frau Budke, was bedeutet der Ukrainekrieg für den Strukturwandel in der Lausitz?
Ricarda Budke: Der Ukrainekrieg bewegt uns in vielen politischen Feldern. Für mich ist es persönlich erschütternd, dass wir so einen Krieg mitten in Europa haben und sich damit viele politische Fragen neu stellen. Der Strukturwandel in der Lausitz ist seit Jahren im Gange und auch auf einem guten Weg. Aber die Lausitz ist direkter als andere Regionen betroffen von aktuellen Fragen. Etwa über ein Ölembargo, das wir auf europäischer Ebene anstreben, oder von unserer viel zu großen Abhängigkeit vom russischen Gas, die wir schnellstmöglich beenden wollen, um diesen Krieg nicht weiter mitzufinanzieren.
Was bedeutet der Krieg konkret für den Ausstieg aus der Braunkohle?
Nichts Grundsätzliches. Die Lausitzer Kohlekraftwerke sollen in den nächsten Jahren abgeschaltet werden – Jänschwalde 2028, Boxberg und Schwarze Pumpe spätestens 2038. Wir wollen viele dieser Zieldaten, die im sogenannten Kohlekompromiss vereinbart waren, nochmal überprüfen und idealerweise auf 2030 vorziehen. Die Überprüfung war auch im Kohlekompromiss vorgesehen. Aber eins ist klar: Wenn wir über die Versorgung der nächsten zwei oder drei Jahre mit Wärme und Strom reden, dann ändern sich die vorherigen Einschätzungen über die Notwendigkeit zum Ausstieg nicht.
Was halten Sie davon, die Sicherheitsbereitschaft von Jänschwalde zu verlängern, falls das für die Versorgungssicherheit nötig wird?
Ich glaube nicht, dass das nötig wird. Aber das sind Entscheidungen, die bei der Bundesregierung liegen. Versorgungssicherheit ist für uns Grüne nicht erst seit dem Krieg ein Thema geworden. Ich persönlich kann mich auf das berufen, was die Wissenschaft sagt. Da ist vor Kurzem eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erschienen, die besagt, dass ein Kohleausstieg 2030 auch noch möglich ist mit einem Importstopp von russischem Gas. Von daher ist es meine Aufgabe als Politikerin dafür zu sorgen, dass wir das auch hinbekommen.
Kohleausstieg 2030 ohne Putins Gas, wie soll das gehen?
Ich bin überzeugt, dass uns das gelingt, wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren so gestalten, dass wir damit langfristig die Versorgung sichern können. In Deutschland nutzen wir Gas vor allem für die Wärmeversorgung. Wer eine Gasheizung hat, kann sich sicher nicht vorstellen, Kohleneimer zu schleppen. So naheliegend der Gedanke auch sein mag: Die Lausitzer Kohle ist als Antwort auf ein mögliches Gasimportstopp untauglich. Also sind wir wieder bei den Erneuerbaren, da sind wir übrigens in der Lausitz auf einem guten Weg. Wir müssen Potenziale heben, noch mehr Erneuerbare Energie zu produzieren.
Das Gas war als Brücke zum grünen Wasserstoff fest eingeplant. Was machen wir ohne?
Wir werden Gas auch aus anderen Ländern exportieren. Damit lässt sich eine neue Brücke bauen, während wir die Erneuerbaren ausbauen.
Der Gedanke, noch mehr Windparks und Photovoltaik im Blickfeld zu haben, gefällt nicht jedem. Auch nicht denen, die sich um Natur und Umwelt sorgen.
Ich habe das Gefühl, da werden Schreckensszenarien verbreitet. Die Lausitz wird nicht die einzige Region sein, die Energie produziert. Wir haben durch die Bergbau-Folgelandschaften mehr Platz, uns da einzubringen, das ist eine große Chance. Das Projekt Floating Solar auf dem Cottbuser Ostsee ist ein Beispiel. Es wird aber nur ein winziger Teil der Fläche sein und wird den Spaß an diesem See nicht verderben und keine Fische stören. Aber es stimmt: Wir haben Zielkonflikte beim Schutz von Klima und Umwelt. Ich als Klimaschützerin sage: Wenn wir jetzt keinen Klimaschutz betreiben, wird das in den nächsten Jahren bedrohlich für viele Arten sein. Wir können alles unter einen Hut bekommen, zum Beispiel durch Ausschlussgebiete, Ausgleichsflächen und gezielte Programme für Artenschutz.
Die CDU, mit der Sie im Land regieren, bemüht wieder öfter das Bild von der ländlichen Lausitz, die für die Klimaschutz-Wünsche von Großstädtern herhalten muss. Was ist Ihre Antwort darauf?
Meine Antwort ist: Ich wohne in der Lausitz und engagiere mich für den Klimaschutz. Wie viele andere auch. Diese Bilder aufzumachen von den Städtern hier und den Dörflern dort, die sich gegenseitig mit Vorurteilen bewerfen – das ist doch Quatsch. Wir Lausitzerinnen und Lausitzer wohnen nicht alle auf dem Dorf und viele Berlinerinnen und Berliner kommen vom Dorf. Die Weltlage ist komplexer, als die CDU es skizziert. Schauen wir doch lieber gemeinsam nach Lösungen, dazu lade ich alle herzlich ein. Aber ja, auch Berlin kann vieles tun, etwa mit mehr Solaranlagen und Wärmedämmung.

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Der Bergbaubetreiber Leag baut neuerdings Wind- und Solarparks im großen Stil. Kommt Ihnen damit Ihr Lieblingsgegner abhanden?
Die Leag war nie mein Gegner. Ich kämpfe gegen die Braunkohle, nicht gegen Firmen oder Menschen. Wenn die Braunkohle-Industrie zur Erneuerbaren-Industrie wird, dann ist das doch super. Von alten Feindbildern sollten wir uns sowieso verabschieden. Wenn die Leag bei der Transformation ein guter Partner sein kann, sollte sie auch eine Chance bekommen, daran teilzuhaben.
Das Wort Braunkohle hört man jetzt wieder oft in der Energiedebatte. Wie geht es Ihnen damit?
Da blutet mein Klimaschützerinnen-Herz, aber das kenne ich nun auch mein ganzes Leben. Die neue Situation ist, dass wir auf eine veränderte Weltlage reagieren müssen. Das müssen wir vernünftig tun. Wir merken, dass wir den Ausbau der Erneuerbaren verschlafen haben. In der Lausitz spüren wir die Auswirkungen der Klimakrise jetzt schon. Die anhaltende Trockenheit der letzten Jahre ist für viele Menschen schon ein Alltagsthema geworden und wird sich voraussichtlich noch verschärfen.
Ricarda Budke, 23, ist seit 2020 Abgeordnete im Landtag Brandenburg. Die Grünen-Politikerin ist in Falkensee im Havelland aufgewachsen und studiert seit 2018 Regionalplanung an der BTU Cottbus-Senftenberg. Budke ist Mitglied im Landtags-Sonderausschuss Strukturentwicklung in der Lausitz. Mit Ricarda Budke sprach Christine Keilholz.
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