Zwischen Guben und Zittau könnte eine einmalige Region für Forschung, Förderung und Wasserstoff werden. Leider läuft eine Ländergrenze durch. Und Strukturwandel ist halt Ländersache.
Von Christine Keilholz
Vor drei Jahren machten sich Sachsen und Brandenburg gemeinsam an das Abenteuer, die Lausitz bis 2038 zu wandeln. Vor zwei Jahren endete die Zusammenarbeit. Der Freistaat Sachsen verabschiedete sich aus der Wirtschaftsregion Lausitz – jener Gesellschaft, in der beide Länder ihre gemeinsame Kohleregion in die Zukunft nach der Kohle führen wollten. Brandenburg blieb allein zurück, trauerte aber nicht lange.
Bis heute hört man aus Potsdam und Dresden viele wortreiche Begründungen, warum das der richtige Schritt gewesen sei. Da heißt es stets, es sei nicht eigentlich eine Scheidung gewesen, sondern eher eine Rücksichtnahme auf unterschiedliche Interessen. Man arbeite weiterhin gut zusammen, nur eben nebeneinander. Trotzdem muss sich die Lausitz seither fühlen wie das Kind zweier Eltern, die nun andere Prioritäten haben.
Politisch bedeutet das: Es gibt nur noch ein Ostbrandenburg und ein Ostsachsen, die von Potsdam und von Dresden aus entwickelt. Welch eine vertane Chance, hätte doch eine Dachmarke namens Lausitz für eine gemeinsame Entwicklung stehen können. Für einen gemeinsamen Kohleausstieg, der die Städte und Gemeinden von Guben bis Zittau vereint. Wie auch die Lausitzer Braunkohle als regionale Marke ehedem den Klang von Erfolg hatte.
Die meisten Lausitzer identifizieren sich auch so
Bei den Einheimischen hat der Name Lausitz den besten Klang. Zwei Drittel der Lausitzerinnen und Lausitzer stimmten im Lausitz-Monitor 2021 der Aussage „Ich liebe die Lausitz“ zu. Etwas mehr als die Hälfte zeigte sich in der Umfrage sogar stolz, Lausitzer zu sein. Die Oberlausitz oder der Spreewald haben weniger Anhänger. Daraus ließe sich etwas machen.
Aber Strukturwandel ist eben Ländersache. Das bedeutet, dass die Bewältigung der Folgen des Kohleausstiegs in den Ländern unterschiedlich läuft. Das mag einsehbar sein, schließlich sind die Verhältnisse im Südraum Leipzig und im Rheinischen Revier nicht die gleichen. Aber in der Lausitz fällt es auf. Mitten durch die größte Förderregion mit ihren sechs Landkreisen und 1,1 Millionen Menschen führt eine Grenze – die zwei Strukturwandel-Realitäten trennt.
Industriezentren hier, dünn besiedelter ländlicher Raum dort
Das bedeutet etwa, dass Förderung in Hoyerswerda andere Bedingungen hat als in Senftenberg, auch wenn dazwischen kaum 25 Kilometer liegen. Wenn im nächsten Jahr der Just Transition Fund (JTF) nach langem Warten endlich startet, die einzige direkte Unternehmensförderung im Strukturwandel, dann werden in Hoyerswerda andere Fördersätze gelten als in Senftenberg.
Die Bedingungen sind in beiden Lausitzen tatsächlich verschieden. Die brandenburgische Niederlausitz hat große Industriezentren in Schwarze Pumpe und Schwarzheide. Dagegen ist die Oberlausitz zumeist dünn besiedelter ländlicher Raum. Ostsachsen ist geprägt durch sorbische Höfe und Umgebindehäuser. Was das für das Lebensgefühl bedeutet, berichtet der Lausitz-Monitor. Der Zuzug in die Lausitz passiert hauptsächlich in den Kreisen Dahme-Spreewald und Elbe-Elster. Die Landstriche südlich von Berlin bilden den deutschlandweit dynamischsten Siedlungsraum.
Je weiter weg von der Hauptstadt, desto weniger Menschen lassen sich nieder. Im Kreis Görlitz gaben sich in der Umfrage, die im Mai erschien, nur noch bei 16 Prozent als Zugezogene zu erkennen. Entsprechend hoch ist in Ostsachsen der Anteil der Gebliebenen mit knapp zwei Dritteln. In der brandenburgischen Lausitz ist es knapp der Hälfte der Einwohner, die die Heimat nie verlassen hat. Die Niederlausitz hat einen Anteil zugezogener Bürger von 37 Prozent. Das sind doppelt so viele wie im sächsischen Teil. In allen Werten, die die Bevölkerung betreffen, zeigt die sächsische Lausitz deutlich schwierigere Bedingungen.
Ein Lausitzer Harvard wäre möglich gewesen
So viel zu den Unterschieden. Gleich sind die Ziele. Beide Lausitzen wollen sich als Kraftzentren von Schlüsseltechnologien etablieren. Energiewirtschaft und Energieforschung gelten beiderseits der Ländergrenze als Branchen der Hoffnung. Aber eine gemeinsame Wasserstoffregion scheitert an den unterschiedlichen Entwicklungsinteressen der beiden Länder. Brandenburg will Wasserstoff unter eigenem Namen entwickeln, Sachsen sieht Einrichtungen wie das Hydrogen Lab in Görlitz als Ost-Ausleger seines Wasserstoff-Clusters im Raum Leipzig und Chemnitz. Selbst das Lausitzer Seenland, das unter einem Namen Touristen begeistern will, besteht aus zwei Zweckverbänden.
Die Ansiedlung von Wissenschaftseinrichtungen passiert hier wie dort. Leider entsteht daraus keine gemeinsame Forschungsregion namens Lausitz. Eine Region, wo in kurzer Zeit zwei Dutzend Institute entstehen, das ist deutschlandweit einmalig. Von Cottbus bis Görlitz passiert das genau jetzt. Es könnte eine Art Lausitzer Harvard werden, das über den deutschen Sprachraum hinaus für Spitzenforschung steht. Läge nicht dazwischen eine unüberwindliche Verwaltungsbarriere.
Dies ist ein Text aus dem Neue Lausitz Briefing vom 06. Dezember 2022.
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