Sylvio Arndt will das Görlitzer Landratsamt ohne unterstützende Partei erobern. Aber der Autohausbesitzer aus Niesky steht für eine Wählerklientel, die die Parteien verzweifelt umwerben.
Von Robert Saar
Sylvio Arndt gibt sich kämpferisch. „Es gibt die CDU – da geht es genauso weiter in den Strukturen, die wir jetzt schon haben“, sagt der 53-Jährige der Neuen Lausitz. „Es gibt die FDP – da glaube ich nicht, dass die gewinnen können. Und es gibt die AfD – da glaube ich nicht, dass diese Außenwirkung für den Kreis die richtige Lösung ist.“ Wie er allein im Kampf um das Görlitzer Landratsamt punkten will, wird nicht recht klar. Zumal die genannten Parteien eigene Kandidaten im Rennen haben.
Arndt ist in der Görlitzer Kandidatenriege die schillernde Figur. Der Autohausbesitzer aus Niesky setzt auf den Bonus des Underdogs und auf den Charme von Nicht-Botschaften. Seine Kampagne druckt Plakate, auf denen zum Eintragen der eigenen Wahlwünsche aufgefordert wird. Unter den Teilnehmenden, die Selfies von sich und ihren Wünschen posten, werden Megafone verlost. Auf Arndts Website heißt es frei weg von der Brust: „Meine schlechte Rechtschreibung hat in der Wirtschaft nie jemanden gestört, da waren Logik und Verlässlichkeit wichtiger. Außerdem gibt es ja zum Glück Menschen, die in Rechtsschreibung besser sind und meine Texte korrekturlesen.“
Identifikationsfigur für Handwerker und Selbständige
Arndt präsentiert sich selbstbewusst als einer, der schon durch manche Misere gegangen ist – und noch steht. Eine Ausbildung im Handwerk, das Auf und Ab eines Unternehmerlebens, kein Hochschul-Abschluss – damit hat Arndt in diesem Wahlkampf drei Alleinstellungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz. Ansprechen will er jene Bürgerinnen und Bürger, die sich im Angebot der Parteien nicht wiederfinden können, dafür mehr in einer wechselvollen Lebensgeschichte wie seiner. Gerade unter den Handwerkern und Selbständigen, die das Vertrauen in die CDU verloren haben, könnte er damit Anklang finden.
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Arndt ist in Weißwasser geboren. Seine Ausbildung zum KfZ-Schlosser schließt er 1987 ab. Sieben Jahre später macht er sich selbstständig und eröffnet ein Autohaus in Niesky. Der dauerhafte Erfolg ist ihm damit nicht vergönnt. Arndt gerät in finanzielle Schwierigkeiten und muss sein Autohaus verkaufen. Mithilfe eines exzellenten Steuerberaters, wie er sagt, schafft er den Neustart und eröffnet wenige hundert Meter vom alten sein neues Autohaus. Das betreibt er bis heute zusammen mit seiner Ehefrau. In drei schweren Jahren der wirtschaftlichen Krise habe er mehr über Menschen gelernt als in den 35 Jahren zuvor, sagt Arndt.
Er sagt auch, dass in der Politik einiges schief laufe. Punkten will er ohne Partei, dafür mit seinem Verständnis von Demokratie und den Erfahrungen aus der Wirtschaft. Sein Verständnis von Demokratie? „Relativ einfach: Mehrheitsentscheidungen akzeptieren.“ Ihm gehe es auf die Nerven, dass Politiker dächten, sie träfen stets bessere Entscheidungen als der Durchschnittsmensch. „Die breite Masse muss entscheiden, wollen wir es so oder so. Und natürlich fallen die mal auf die Nase, das ist das Natürlichste auf der ganzen Welt.“
Kohleausstieg nicht falsch, Atomstrom nicht schlecht
Die Aufgabe eines Landrats sieht Arndt als Zusammentragen und Umsetzen der Wünsche der Bürger. Dafür will er mehr Wege des Zuhörens schaffen. Sein Urteil über den Strukturwandel: „Das, was ich in der Presse lese, überzeugt mich nicht.“ Das Geld werde nicht fokussiert genug einen Wirtschaftssektor als Erbe der Kohleverstromung treffen, meint er. Überdies sind die Strukturmittel bis 2026 bereits verplant, das stört ihn. Dem mittelständischen Unternehmer Arndt ist es wichtiger, die mittelständischen Unternehmen der Region zu unterstützen, als von ortsfremden Großunternehmen die Solar- und Windparks in der Lausitz hochziehen zu lassen.
Was nicht heißen soll, das ihn das Schicksal des Planeten kalt ließe. Zur Klimakatastrophe und möglichen Gegenmaßnahmen hat Arndt eine klare Meinung: „Der Gesamtressourcenverbrauch, den wir haben, ist einfach viel zu groß.“ Die seiner Ansicht nach zuweilen groß angepriesenen, grüneren Technologien seien nicht immer die bessere Lösung. Oft könnten stattdessen bestehende Prozesse optimiert werden. Ansonsten ist ihm die Klimapolitik auch mal einen Herrenwitz wie diesen wert: „Statt über CO2-neutrales Papier nachzudenken“, sagte er jüngst in einem Interview, „sollte lieber über Sinn und Unsinn vieler Schreiben nachgedacht werden.“ Den Ausstieg aus der Kohle findet er nicht grundsätzlich falsch, importierten Atomstrom findet er nicht schlecht.
Zuhören will er jedem
Im Umgang mit Rechtsextremisten setzt Arndt auf seine Variante des aufklärerischen Dialogs: „Sie müssen dem nur eine Frage stellen: Unter Beachtung der tatsächlichen Gegebenheiten – wie würdest du es machen?“, wird er von einem Lokalmedium zitiert. Jeder, der sich selbst nicht täusche, würde dann Einsicht zeigen und die extreme Position verlassen, so die Hoffnung von Sylvio Arndt, der überdies betont, gegenüber extremen Kräften keine Berührungsängste zu haben. Angesichts der hohen Stimmanteile der AfD in Ostsachsen sei das auch unumgänglich: „Ich habe klar und deutlich gesagt: Ich werde jedem zuhören“, sagte er der Neuen Lausitz. Meinungen seien eben an Gegenpolen zu messen, nicht ständig unter Gleichgesinnten. Außerdem rede er immer nur mit Menschen, ganz egal welcher Partei die angehören.
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